«Umweltfreundlich» fliegen: Ein Klick fürs Gewissen

Nr. 24 –

Myclimate geht an die Verkaufsfront. Demnächst können KundInnen ihre Kompensationen für Flugreisen bereits im Reisebüro buchen.

Flugreisen haben einen Anteil von gut drei Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen. Im nichtindustriellen Bereich gehören sie damit zu den bedeutendsten Klimaanheizern. Organisationen wie Myclimate bieten Firmen und Privatpersonen die Möglichkeit, das schlechte Klimagewissen auf bequeme Weise, nämlich übers Portemonnaie, zu beruhigen. Bei Myclimate lassen sich CO2-Kompensationen kaufen – für die Flugreise, auf die man nicht verzichten kann oder will, oder auch – weniger bekannt – für gefahrene Autokilometer und das verheizte Erdöl.

Bis anhin liess sich der persönliche CO2-Ausstoss auf der Website von Myclimate berechnen und begleichen, ab sofort soll das gleich im Reisebüro möglich sein. Einer der grossen Schweizer Softwarehersteller für die Reisebranche hat den Myclimate-CO2-Rechner in sein Buchungssystem eingebaut, sodass FlugkundInnen beim Ticketkauf auf Knopfdruck auch gleich den klimatischen Persilschein mitbestellen können.

Spürbare Nachfrage

Derzeit verkauft Myclimate rund fünfzig bis hundert Kompensationstickets pro Tag. Das sind, wie Geschäftsleiter René Estermann anlässlich der Softwarepräsentation unumwunden zugab, «natürlich Peanuts» im Vergleich zu den in der Schweiz gekauften Flugtickets (allein am Flughafen Kloten starten pro Tag gut 25 000 Passagiere). Die Nachfrage könnte schnell zunehmen, wenn die FlugkundInnen schon beim Ticketkauf ganz selbstverständlich daran erinnert werden, dass die geplante Reise auch ökologische Kosten verursacht, die im Ticketpreis nicht enthalten sind.

Doch ganz so schnell wird das nicht gehen. Gut die Hälfte des Schweizer Flugticketmarkts läuft zwar über die neu mit Myclimate verlinkte Plattform, aber die Reisebüros müssen die Applikation erst noch einrichten –, und auch wenn das sämtliche Verkaufstellen tun sollten, ist nicht anzunehmen, dass KundInnen am Reisebüroschalter dereinst so penetrant mit der Frage nach einer CO2-Kompensation gelöchert werden wie an der Migros-Kasse mit derjenigen nach der Cumulus-Karte. Immerhin ist die Nachfrage nach Kompensationsangeboten in der Reisebranche laut den InitiantInnen des Projekts aber schon seit einiger Zeit spürbar, und manch ein Reisebüro versucht sich bereits entsprechend zu profilieren.

Die Guten und die Bösen

In England ist es schon heute üblich, dass in den Reisebüros Kompensationen verkauft werden. Das hat auch seine Schattenseiten. Während in der Schweiz nämlich Myclimate im Kompensationsgeschäft noch ziemlich allein auf weiter Flur ist, gibt es in England schon diverse sich konkurrenzierende Anbieter, darunter auch solche mit kommerziellen Interessen. Unter ihnen gibt es einige schwarze Schafe. Sie investieren in fragwürdige Kompensationsprojekte, deren CO2-Ersparnis zweifelhaft und oft nicht nachhaltig ist, und können ihre Ablassscheine so zu Dumpingpreisen auf den Markt werfen.

Eine Studie der amerikanischen Tufts University hat unlängst bestätigt, dass es grosse Unterschiede bei der Seriosität des Kompensationsgeschäfts gibt. Myclimate schnitt in der Studie, bei der Kriterien wie Transparenz, administrativer Aufwand und die Art der Projekte bewertet wurden, sehr gut ab, die kommerziellen Anbieter zum grossen Teil lamentabel.

Dealen erlaubt

Die Myclimate-Verantwortlichen machen sich deshalb keine Sorgen, dass ihr Angebot, wenn entsprechende Konkurrenz auch in die Schweiz kommt (und sie wird nicht allzu lange auf sich warten lassen), nicht am Markt wird bestehen können. René Estermann sagt, man wolle mit der Qualität der Projekte überzeugen, die exakte Verrechnung auf der Verursacherseite sei Myclimate weniger wichtig. So haben GeschäftskundInnen, die grosse Kompensationsarrangements aushandeln, die Möglichkeit, den Preis zu drücken. Denn bei den Investitionskosten pro Tonne eingespartes CO2 gibt es von Projekt zu Projekt erhebliche Unterschiede. GrosskundInnen können gleich für ein ganzes Projekt Pate stehen und damit die Tonne CO2 fast zum halben Preis kompensieren.

Ein Klimaschutzprojekt von ganz anderem Kaliber ist die Idee Ecuadors, sich von der Weltgemeinschaft dafür bezahlen zu lassen, dass die Erdölvorkommen des Landes im Boden bleiben (siehe WOZ Nr. 21/07). Könnten sich die Myclimate-Macher vorstellen, in ein solches Nullprojekt zu investieren? René Estermann runzelt die Stirn: Er findet die Idee zwar interessant, doch sieht er den Zweck von Myclimate eher darin, eine nachhaltige Entwicklung auf der Südhalbkugel zu ermöglichen, und weniger, Menschen zum Verzicht anzuhalten.

Not täte eigentlich beides. Am besten also Vielnichtfliegen und dennoch kompensieren. Also in den Herbstferien nicht auf die Balearen und trotzdem eine Klimakompensation kaufen. Und übers nächste Wochenende nicht nach New York, natürlich ebenfalls mit Kompensation.

CO2-Kompensation

Unternehmen wie Myclimate bieten die Möglichkeit, freiwillige Beiträge zu bezahlen, um CO2-Emissionen zu kompensieren. Mit dem Geld werden Projekte (meist in Entwicklungsländern) finanziert, durch die ähnliche Mengen an CO2 eingespart werden können. Wer zum Beispiel in Indien den Bau eines Kraftwerks unterstützt, das Elektrizität aus Biomasse gewinnt, lässt sich einen Anteil des CO2 gutschreiben, das das fossile Kraftwerk über die nächsten Jahre verursacht hätte.

Eine Tonne CO2 zu «neutralisieren», kostet bei Myclimate derzeit vierzig Franken, ein Flug nach New York kommt einen so auf gut hundert Franken zu stehen. Teurer ist die Kompensation mit Projekten in der Schweiz: Soll zumindest die Hälfte des CO2 hierzulande eingespart werden, kostet das gut dreimal mehr.

Myclimate ist eine Stiftung, die nicht gewinnorientiert arbeiten muss. Für das Jahr 2007 rechnet die Stiftung mit dem Verkauf einiger Hunderttausend Tonnen CO2-Kompensationen.