Nationalbank: Der achte und der neunte Bundesrat

Nr. 44 –

UBS-Rettungspaket: Kennen Sie Jean-Pierre Roth, Philipp Hildebrand, Eugen Haltiner oder Peter Siegenthaler? Die vier gehören zu den Mächtigsten des Landes.



Er gilt als «achter Bundesrat», der Chef der Nationalbank SNB. Er heisst Jean-Pierre Roth, arbeitet seit bald dreissig Jahren bei der Nationalbank, ist 62 Jahre alt und der Sohn eines Walliser Pöstlers. Mit dem gigantischen UBS-Rettungspaket führte Roth vor, wie mächtig er und seine Truppe sind. Das dreiköpfige Nationalbankdirektorium beschloss unter seiner Führung, der UBS die giftigen Papiere abzunehmen und in eine Auffanggesellschaft auf den Cayman-Inseln auszulagern. Ein Deal von sechzig Milliarden Dollar, mehr als das Jahresbudget des Bundes. Das Parlament hatte dabei nichts zu sagen.

Magier des Geldes

Jean-Pierre Roth wurde nur dank Animositäten zum obersten Magier des Geldes: Der Bankrat, der die SNB kontrollieren soll und dem Bundesrat jeweils einen Kandidaten für das wichtige Amt unterbreitet, hatte 2001 Bruno Gehrig vorgeschlagen; dieser galt als CVP-Mann und stand der SP und den Gewerkschaften näher als Roth: Den wollte die Linke nicht, weil sie ihn für die Krise in den neunziger Jahren verantwortlich machte. Gehrig und Roth sassen damals - unter Hans Meyer - im SNB-Direktorium. Meyer wollte keinen von beiden, er favorisierte den damaligen Finanzchef der Credit Suisse.

Der Job ist wichtig, weil der Nationalbankboss einen grossen Einfluss darauf hat, ob die Konjunktur brav brummt oder ins Stottern gerät. Und weil die Politik nur über die Wahl des sogenannten Notenbankchefs auf die Nationalbank Einfluss nehmen kann, ist eben die Wahl des achten Bundesrates mit Rankünen verbunden. Roth hat es vor sieben Jahren geschafft, weil die SP-Bundesrätin Ruth Dreifuss, die beiden FDP-Bundesräte Kaspar Villiger und Pascal Couchepin sowie Adolf Ogi (SVP) überraschend für Roth stimmten. Nachher wurde in den Medien gemunkelt, Dreifuss habe für Roth votiert, weil sie mit ihm studiert habe, und er sei halt ein Westschweizer, was auch Couchepin bewogen habe, Roth zu unterstützen.

Weibelnder Ospel

Vor der Wahl weibelte UBS-Chef Marcel Ospel zusammen mit Leuten vom Vorort (heute Economiesuisse) ungehemmt für ihren Kronfavoriten, und der hiess: Jean-Pierre Roth.

In den letzten Jahren hat die Nationalbank ihre Strategie geändert und macht eher Konjunkturpolitik, wie dies SP und Gewerkschaften wünschen. Deshalb stand Roth nicht mehr gross unter Beschuss.

Spannend ist jedoch der Nachwuchs: Philipp Hildebrand, der unter Roth im Direktorium sitzt und den UBS-Deal mitgeprägt hat, wird von den Medien zu Roths Nachfolger hochgeschrieben. Der Mann sieht gut aus, war Schweizer Meister im Schwimmen und ist weltgewandt - der perfekte Kronprinz. Hildebrand ist Multimillionär und müsste nie mehr arbeiten. Sein Geld hat er als Partner eines US-amerikanischen Hedgefonds gemacht. WOZ-Autor Gian Trepp schrieb vor drei Jahren über Hildebrand, als er schon im SNB-Direktorium sass: «Hildebrand will die Schweiz zur ersten Adresse im globalen Hedgefonds-Geschäft machen.» Er lobpreise die kleine und konzentrierte Gemeinschaft der «weltweit tätigen Investmentbanken, denen man die Überwachung der Hedgefonds-Risiken getrost» überlassen könne. Trepp warnte: Hildebrands Strategie führe dazu, dass «die Zentralbanken mit Riesenkrediten einspringen und den globalen Finanzcrash verhüten» müssten (siehe WOZ Nr. 27/05). Da sind wir jetzt - doch niemand tritt nach dem Schönling Hildebrand.


Als UBS-Präsident Peter Kurer am 12. Oktober zur Einsicht gelangte, dass die UBS ohne Hilfe zusammenbrechen würde, rief er einen alten Kollegen an: Eugen Haltiner, Präsident der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK). Und dieser vollendete zusammen mit ein paar Eingeweihten den vorbereiteten Rettungsplan für die UBS. Wer ist dieser Mann?

Ein Freund von Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Die beiden lernten sich bereits in den siebziger Jahren in der Bankgesellschaft-Kaderschmiede Wolfsberg kennen. Die beruflichen Wege kreuzten sich wieder, beispielsweise 1995 beim Verkauf der Ausserrhoder Kantonalbank: Merz verkaufte als Kantonalbank-Präsident, Haltiner kaufte als Generaldirektor der Bankgesellschaft. Als 2004 ein neuer Präsident für die EBK gesucht wurde, präsentierte Merz Haltiner als einzigen Kandidaten.

Haltiner ist ein UBS-Mann. Fast sein ganzes Berufsleben, 33 Jahre lang, arbeitete der sechzigjährige Ökonom aus Schaffhausen für diese Bank, erst für die Schweizerische Bankgesellschaft und dann, nach der Fusion mit dem Bankverein 1998, für die UBS. Er war einer der wenigen der Bankgesellen, die in der UBS aufstiegen. Haltiner leitete den Bereich Firmen- und Privatkunden. Gefördert wurde er von seinem ehemaligen Vorgesetzten, Stephan Haeringer.

Militärischer Aufstieg

Zu UBS-Chef Marcel Ospel hingegen hatte Haltiner ein distanziertes Verhältnis: Er, der im Militär bis zum Oberst im Generalstab aufgestiegen war, hatte perfekt zur militärisch geführten Bankgesellschaft gepasst, nicht aber zu Ospels salopper Bankverein-Crew. Er leitete einen eher langweiligen Bereich, welchen den ehrgeizigen Ospel wenig interessierte. Und er hatte Ospel enttäuscht, als er bei der grössten Schweizer Privatpleite, dem Zusammenbruch des Erb-Imperiums 2003, der UBS Verluste von rund 400 Millionen Franken bescherte. Damals wurde Haltiner eine zu grosse Nähe zum Firmenpatriarchen Hugo Erb nachgesagt. In der Folge gab er das operative Geschäft ab, zuletzt war er Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung.

Gemeinsame Karrieren

Am 1. Februar 2006, einen Tag nachdem er bei der UBS frühpensioniert worden war, trat Haltiner seinen Job als Bankenkontrolleur an. Bei Entscheiden zur UBS trete er jeweils in den Ausstand, betonte Haltiner noch diesen April. Damals war er schon seit längerer Zeit daran, zusammen mit seinem alten Kollegen Merz der Schweizerischen Nationalbank und der Eidgenössischen Finanzverwaltung ein Notfallszenario für die beiden Schweizer Grossbanken auszuhecken.

Haltiner ist eine typische Figur des Schweizer Finanzplatzes. Als seine Verbundenheit mit der UBS kritisiert wurde, erwiderte die Grossbank kühl, dass «sich alle Akteure auf dem Finanzplatz Schweiz kennen». Man machte gemeinsam Karriere, erlebte gemeinsam Pleiten, einige verspielten ihren guten Ruf, andere blieben unbeschadet.

Und so kam es, dass der Mann aus der zweiten Reihe, der unspektakulär aufgestiegen und unspektakulär gescheitert war, der Verwalter, der seither ein zahnloses und unterdotiertes Kontrollgremium leitete, am Ende seiner Laufbahn zu einem der wichtigsten Männer des Landes wurde. Er entthronte seinen ehemaligen Chef Marcel Ospel; Haeringer, sein einstiger Mentor, musste sein Amt als Vizepräsident des UBS-Verwaltungsrates im Oktober abgeben. Haltiner wurde zu einem der Männer, die den grössten Deal des Schweizer Finanzplatzes aller Zeiten einfädelten: 68 Milliarden Franken für die UBS.

Finanzdepartement : Der treue Diener

«Die Schweiz kann es sich nicht leisten, auf die Politik zu warten.» Das schrieb ein Chefbeamter namens Thomas Moser vor fast vier Jahren in der NZZ. Unter dem unscheinbaren Titel «Die politische Rolle der Bundesverwaltung» wies er auf die wachsende Bedeutung des Verwaltungsapparats hin. Er fragte: «Wer ist in unserem Land in der Lage, echte Reformprogramme innert nützlicher Frist zu verwirklichen?»

Die Frage gewinnt angesichts des UBS-Desasters an Aktualität. Eine Faustregel sagt: Je schwächer der Bundesrat, desto stärker die Verwaltung. Das Herz von Bundesrat Hans-Rudolf Merz stand im entscheidenden Moment still - mitten in der grössten Finanzkrise seit den dreissiger Jahren. Es schlug die Stunde der Verwaltung. Aber welchen Einfluss konnte das Finanzdepartement (EFD) zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch auf das UBS-Rettungspaket ausüben? Wohl sehr wenig. Geplant worden war es vor allem von Philipp Hildebrand (Nationalbank) und Eugen Haltiner (Bankenkommission) und - vor seinem Zusammenbruch - von Hans-Rudolf Merz. Das EFD feilte schliesslich nur noch an den technischen Details. Aber dafür waren weder Merz noch die kurzfristig eingesetzte Eveline Widmer-Schlumpf verantwortlich.

Der Sozialdemokrat
Der starke Beamte in der Verwaltung heisst Peter Siegenthaler. Der Direktor der Finanzverwaltung ist seit 1982 mit den Finanzgeschäften des Bundes betraut. Unter SP-Finanzminister Otto Stich stieg der Sozialdemokrat 1985 zum Chef der Finanzplanung auf. Damals war er Stichs persönlicher Berater. Seit der Jahrtausendwende ist der studierte Berner Ökonom nun Chefbeamter. Die WOZ schrieb vor einigen Jahren, Siegenthaler spreche wie ein Bundesordner, er sei der «Buchhalter der Nation». Aber er ist mehr als das: Er gilt als einer der kompetentesten Beamten des Landes, und das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» setzte ihn 2007 in einem Machtrating auf Platz eins der stillen Schaffer. Die Anerkennung auch aus rechten Kreisen verdient sich der treue Diener Siegenthaler vor allem, weil er als sozialdemokratischer Verwalter jahrelang die Spardoktrin der Neoliberalen vorantrieb. Darum hielten sowohl Merz als auch sein Vorgänger Kaspar Villiger an ihm fest. Denn wer kann Linken rechte Pläne besser verklickern als ein Sozialdemokrat?

Auch wenn die SP derzeit Sturm läuft gegen das UBS-Rettungspaket, Siegenthalers langjähriger Gefährte Otto Stich sagt: «Siegenthaler hat sicher das Beste gemacht, was er konnte. Wenn er etwas eingefädelt hat, dann wird das schon richtig sein.» Die Rekapitalisierung der UBS mit sechs Milliarden Franken spült dem Bund dank des hohen Zinses von 12,5 Prozent rund 750 Millionen Franken jährlich in die Kasse und könnte im günstigsten Fall gewinnbringend enden. Doch selbst wenn die Rekapitalisierung für den Bund gut ausgeht, bleiben Risiken und bittere Fragen: Weshalb wurden nicht mehr Auflagen an die Sechs-Milliarden-Rekapitalisierung geknüpft? Was geschieht, wenn in der Bilanz der UBS noch mehr Risikopapiere schlummern als vermutet? Und was, wenn die UBS am Ende doch untergeht oder die CS auch noch in Schwierigkeiten gerät?

Carlos Hanimann