Bankendeal: Hier geht es auch ums Volksvermögen

Nr. 24 –

Die Zürcher und die Basler Kantonalbank stehen im Strudel um unversteuerte Gelder aus den USA. Lehnt das Parlament den Bankendeal des Bundesrats ab, drohen ihnen eine Anklage in den USA und schwerer wirtschaftlicher Schaden.

«Wir sind doch alle in der Bredouille. Niemand blickt da voll durch.» Die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran gibt sich am Mobiltelefon lautstark verärgert über den sogenannten Bankendeal, der seit zwei Wochen die Schweiz bewegt und über den das Parlament in dieser Session abschliessend befinden soll.

Es geht um die parlamentarische Zustimmung zu einer Vereinbarung mit den USA. Vierzehn Banken, die ins Visier der US-Justiz geraten sind, weil sie unversteuerte Vermögen entgegennahmen, sollen sich freikaufen dürfen. Sie bezahlen eine Busse und liefern den US-Behörden Angaben darüber, woher die angenommenen Gelder kamen, wohin sie weiterflossen und wer bei den Transaktionen seine Hände im Spiel hatte. Der US-Justiz würde es dadurch möglich, zusätzliche AkteurInnen in ihrem Kampf gegen Steuerbetrug unter die Lupe zu nehmen: Vermögensverwalter, Anwältinnen und weitere Banken. Nicht zuletzt darum, so ist zu vermuten, sind wohl viele Bürgerliche gegen den Deal: Sie wollen ihre Klientel nicht der US-Justiz ausliefern.

Badran tendiert dazu, der Vereinbarung zuzustimmen, entgegen der Mehrheit in ihrer SP-Fraktion, die nicht erneut schuldigen Banken aus der Patsche helfen will. Die Zürcher Nationalrätin sorgt sich primär um zwei der vierzehn Banken, zwei hundertprozentig staatliche Institute: die Zürcher und die Basler Kantonalbank. Sollte der Deal nicht zustande kommen, droht diesen Banken im schlimmsten Fall eine Anklage. Die Folge wäre womöglich der Konkurs, weil die Banken vom Dollarmarkt abgeschnitten würden und das Vertrauen der KundInnen dahin wäre. «Ich will unser Volksvermögen schützen», sagt Badran, «das ist mir das Wichtigste.»

Risikospiel in Zürich

Die Zürcher Kantonalbank ist die viertgrösste Bank der Schweiz. Das US-Geschäft war nie eine strategisch bedeutende Angelegenheit der Bank, aber sie hat sich gegen unversteuerte Gelder aus den USA lange auch nicht gewehrt. Heute heisst es in ZKB-Kreisen, man sei zu wenig vorsichtig gewesen, habe teils aber auch nur einfach Pech gehabt. Andere Banken, Vermögensverwalterinnen und Anwälte hätten die ZKB als sogenannte Depotbank benutzt, um US-Gelder ihrer KundInnen zu parkieren.

Die ZKB ein armes Opfer böser Intermediäre? Eine Anklageschrift der US-Staatsanwaltschaft gegen drei Mitarbeiter der ZKB vom Dezember 2012 unterstellt der Bank, dass aus ihr heraus aktiv US-KundInnen geholfen wurde, ihre Gelder auf ZKB-Konten zu verstecken. Das angeklagte ZKB-Trio habe zusammen mit anderen KundenberaterInnen der ZKB bis 2009 423 Millionen US-Dollar vor dem US-Fiskus versteckt. Auch als 2008 die Grossbank UBS ins Visier der US-Steuerfahndung geriet, habe die ZKB noch US-KundInnen aufgenommen, sogar solche, die ihr unversteuertes Geld von der UBS in die ZKB überführten. Einem Kunden sei versichert worden, bei der ZKB habe man nichts zu befürchten, da die Bank anders als die UBS keine Filialen in den USA betreibe.

Zwei der drei Mitarbeiter der ZKB sind beurlaubt worden, einer ist inzwischen nicht mehr bei der Bank angestellt. Für die oberste Leitung der Bank resultierten aus dem US-Abenteuer bislang keine Konsequenzen.

Die ZKB muss beim Bankendeal mit einer Busse in der Grössenordnung von 700 Millionen Franken rechnen – weit mehr als ein Jahresgewinn. Man könne das verkraften, heisst es bei der Bank. Allerdings müssten wohl der Kanton Zürich sowie die Gemeinden des Kantons ein, zwei Jahre auf eine Gewinnausschüttung verzichten; 2012 waren das satte 330 Millionen Franken. Bezahlt würde die Busse also indirekt von der Zürcher Bevölkerung in Form von absehbaren Sparmassnahmen der Behörden.

Falsche Prioritäten in Basel

Die Basler Kantonalbank BKB steht auf Rang sechzehn der Schweizer Banken. Wie ihre Zürcher Schwester setzte auch die BKB nicht allzu stark auf den US-Markt, war aber dem Zufluss von Neugeldern, von wo auch immer, nicht abgeneigt. Um das Geschäft mit reichen KundInnen zu stärken, hatte die Bank 1997 eigens eine Filiale in Zürich eröffnet, geführt von einem fünfköpfigen Team, das zuvor bei der Credit Suisse beschäftigt gewesen war. Die Bank lässt heute verbreiten, sie habe «passiv» Gelder aus den USA angenommen, als die UBS 2008 «in eine existenzielle Krise» geraten sei. Damals hätten «Tausende von Kunden eine sichere Bank gesucht».

Schütteten US-BürgerInnen also einfach so ihr Geld über eine arme, passive Bank aus? Die US-Behörden verfügen über Zeugenaussagen von reuigen KundInnen, die ein etwas anderes Licht auf die BKB werfen. So habe die Bank in ihrer Zürcher Filiale Gelder bar entgegengenommen, die vorher bei der UBS abgehoben worden waren. Die KundInnen seien mit den Worten beruhigt worden, dass die Bareinzahlung es den Steuerbehörden verunmögliche, eine Spur zu finden.

Die BKB spricht von 500 Millionen Franken US-Geldern, die sie verwaltet habe, die Hälfte davon von der Zürcher Filiale her. Bis April 2009 wurden Neugelder aus den USA akzeptiert. Der Bankrat der BKB, so eine Quelle der WOZ, wusste davon. Das Kontroll- und strategische Führungsorgan nahm die Protokolle der Geschäftsleitung oppositionslos zur Kenntnis. Offiziell verweigert die BKB bis heute Angaben, wer zu welchem Zeitpunkt was wusste. Allerdings üben verschiedene Bankräte von damals, wie auch der damalige CEO Hans-Peter Matter, inzwischen ihre Funktion nicht mehr aus. Ein anderer Skandal führte die Abgänge schliesslich herbei: die Zusammenarbeit der Bank mit der mutmasslich betrügerischen Investmentfirma ASE. Sie bescherte BKB-KundInnen einen Schaden von rund hundert Millionen Franken.

Sozialkompetenz mangelhaft

Die Schweizer Banken wussten schon länger, dass ihre Geschäfte mit unversteuerten Geldern aus dem Ausland ein Risiko darstellen. «Die Bankenaufsicht hat um das Jahr 2000 davor gewarnt», sagt Monika Roth, Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Luzern. Besonders erstaunt zeigt sich Roth darüber, dass offenbar viele Banken auch noch dann Gelder aus den USA annahmen, als die UBS bereits ins Visier der US-FahnderInnen geraten war. Sie macht Führungsprobleme und fehlendes Bewusstsein in den Aufsichtsorganen dafür verantwortlich. Es sei zu vermuten, dass die operative Bankführung bewusst ein hohes Risiko eingegangen sei, während der Bankrat es unterlassen habe, die nötigen Fragen zu stellen. «Es fehlt in solchen Gremien oft an der sozialen Kompetenz, immer wieder nachzufragen. Die Distanz zum operativen Geschäft ist vielfach zu gross», sagt Roth.

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) will künftig neue VerwaltungsrätInnen von Banken – also auch die Bankräte der Kantonalbanken – kritischer unter die Lupe nehmen. Finma-Sprecher Tobias Lux begründet diesen Schritt damit, dass «das Banking immer komplexer, immer internationaler» werde. Die entsprechenden Formulierungen im Gesetz seien allerdings «sehr offen» formuliert. Die Finma achte darauf, dass das oberste Aufsichtsorgan einer Bank über die nötigen Fachkenntnisse und Erfahrung verfüge. «Es ist auch künftig möglich, dass Leute ohne direkte Bankerfahrung gewählt werden», sagt er. Bei der Finma ist eine einzige Person für die ZKB zuständig. Die BKB wird mit einem Teilzeitpensum betreut.

Lahme Oberaufsicht

Im Kanton Zürich ist es das Parlament, das die Oberaufsicht über die Kantonalbank ausübt. Für die Aufsichtskommission über die wirtschaftlichen Unternehmen ist die ZKB mit ihren rund 4500 Beschäftigten allerdings nur einer von mehreren Betrieben, für die sie zuständig ist. Eine wirkliche Aufsicht können die MilizparlamentarierInnen nicht wahrnehmen. Es fehlt an Zeit, Kompetenz und Durchsetzungskraft. Immerhin habe man sich jetzt mit der ZKB-Spitze getroffen, um Fragen rund um das US-Geschäft zu klären, ist zu hören. «Es ist eine vertiefte Untersuchung geplant», sagt Kommissionspräsident Benedikt Gschwind (SP). Generell ist er der Meinung, der Bankrat leiste gute Arbeit: «Es wäre nicht gut, wenn dort nur noch Technokraten sitzen.»

Dass in den Reihen der ZKB zu wenige BankerInnen arbeiten, scheint tatsächlich nicht das Problem zu sein. Im Gegenteil: Die ZKB scheint vielmehr immer mehr wie eine gewöhnliche grosse Schweizer Bank sein zu wollen. Eben: immer komplexer, immer internationaler. So will sie ihren Expansionskurs über die Kantonsgrenzen weiter vorantreiben. Sich in der Geschäftstätigkeit auf den Kanton Zürich zu beschränken, sei ein «Klumpenrisiko», liess die Bankführung jüngst verlauten. Deshalb beantragt die Bank beim Kantonsrat auch die Erhöhung des Donationskapitals um zwei Milliarden Franken. Die Vernehmlassung zu diesem Ansinnen ist eben abgeschlossen worden. Während die SP die Erhöhung gutheisst, ist die FDP dagegen. Die Freisinnigen wollen, dass die Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird – also noch mehr zur normalen Bank wird.

In Basel-Stadt ist es der Regierungsrat, der die Aufsicht über die Kantonalbank ausübt, die BankrätInnen werden jedoch wie in Zürich vom Parlament gewählt. Dies will Regierungsrätin Eva Herzog (SP) nun mit einem in die Vernehmlassung geschickten neuen Kantonalbankengesetz ändern. Der Bankrat soll entpolitisiert werden und nicht mehr nach dem Parteienproporz zusammengesetzt sein. Auch will Herzog der BKB eine Weissgeldstrategie gesetzlich vorschreiben – unversteuerte Gelder dürften also per Gesetz nicht mehr entgegengenommen werden, egal aus welchem Land. Allerdings räumt Herzog gegenüber den Medien auch gleich ein, dass es ihr an Instrumenten fehle, diese Vorschrift auch wirksam zu überprüfen.

ZKB im Bundeshaus

Noch ist unklar, ob das Parlament dem Deal mit den USA zustimmt. Die Vorlage droht an einer seltsamen Allianz zwischen FDP, SVP und SP zu scheitern. Die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran hatte sich dafür eingesetzt, dass am Dienstag die Zürcher National- und Ständeräte mit SpitzenvertreterInnen der ZKB zusammenkamen. Es sei ein ernsthaftes, gutes Gespräch gewesen, sagt sie im Nachhinein. Die von einzelnen ParlamentarierInnen skizzierten Szenarien, dass eine Bank wie die ZKB bei einer Anklage aus den USA einfach schnell ihre toxischen Unternehmensteile abspalten kann, seien von der ZKB-Spitze als absolut unrealistisch qualifiziert worden. Die ZKB sei an kantonale Gesetze gebunden und unterstehe dem Kantonsrat. Strukturelle Änderungen bräuchten Monate. Auch könne die ZKB nicht auf die Hilfe der Nationalbank hoffen.

Badran ist von der Lauterkeit der ZKB überzeugt. Die Verfehlungen der Bank seien gering. Sie fügt leise hinzu: «Der volkswirtschaftliche Schaden, der der Bevölkerung bei einer Klage gegen die ZKB droht, der ist immens.»

Linker Meinungswandel?

Derzeit befassen sich die eidgenössischen Räte mit einem vom Bundesrat vorgeschlagenen dringlichen Bundesgesetz zur Bereinigung des «Steuerstreits» der Schweizer Banken mit den USA. Am Mittwoch hat der Ständerat der Vorlage mit 24 zu 15 Stimmen bereits zugestimmt.

Bei der materiellen Behandlung waren mehrere Änderungen in das Gesetz eingefügt worden. So soll etwa der Rechtsschutz der TreuhänderInnen und VermögensverwalterInnen gestärkt werden, die geholfen haben, Gelder vor dem US-Fiskus zu verstecken. Für das Gesetz votierten überraschend viele VertreterInnen der Linken.