Musik: Süchte und Sehnsuchtsorte

Nr. 25 –

Jetzt ist es erschienen, das erste Soloalbum von Damon Albarn, dem Sänger von Blur. Es heisst «Everyday Robots» und ist wunderschön geworden – sehr ruhig, sparsam instrumentiert, schon beinahe altersweise. All das, was Blur in den Neunzigern, als sie mit «Leisure» (1991) und dem toll verschnörkelten Popalbum «Parklife» (1994) Stars der Britpopszene wurden, so nicht waren. Ausserdem, was Albarns virtuelle, halb-elektronische Hip-Hop-Popband Gorillaz und das Afrobeat-Allstar-Projekt The Good, The Bad And The Queen niemals sein sollten.

Albarn liebt die Abwechslung; er schrieb Opernmusik, produzierte Bobby Womacks Comebackalbum, und gerade hat er in Mali mit einer Vielzahl von Musikern das Projektalbum «Africa Express Presents: Maison Des Jeunes» aufgenommen. Man könnte meinen, der 46-jährige Familienvater würde mehrere Leben gleichzeitig führen.

Fast wie nebenbei in Albarns Studio aufgenommen wirkt «Everyday Robots», dessen zwölf Songs mit feinem Strich gezeichnete Skizzen aus schwebenden Piano- und Violinentönen und präzise raschelnder Percussion sind. Wir hören gedeckte Keyboardsounds, einen sanften Bass, nuanciertes Fingerpicking und über allem: das melancholische, knarzig-nasale Timbre von Albarns bisweilen Richtung Soul wehender Stimme.

Man muss die Texte nicht verstehen, um eine Ahnung von ihrer lebensbilanzierenden Tiefe zu bekommen. Woraus sind wir – poetisch – gemacht?, scheint Albarn zu fragen. Die Antwort lautet: Als Summe unserer Erinnerungen sind wir die Sehnsuchtsorte, in denen wir als Kinder zu Hause waren, sind wir die Liebesbeziehungen, die wir gelebt haben, sind wir die Süchte, die uns in Beschlag genommen haben. Bei Albarn wars Ende der Neunziger das Heroin, bereut hat er diese Zeit jedoch nie.

Damon Albarn: Everyday Robots. Parlophone / Warner