Diesseits von Gut und Böse: Üble Charaktere

Nr. 38 –

«Schockierende Beobachtungen» enthüllte kürzlich der «Tages-Anzeiger» auf seiner «Wissen»-Seite: Wenig «loyal», «ziemliche Feiglinge» und «fiese Opportunisten» seien die Mitglieder einer erforschten Population; sie neigten zu «gewalttätigen Übergriffen», «Vergewaltigung und Pädophilie». Einige «begehen sogar Kindesraub», und eine Forscherin wolle beobachtet haben, dass sich manche «Weibchen prostituieren».

Falls Sie jetzt darüber nachdenken, ob auch noch diese sittenlosen Individuen in die Schweiz einwandern wollen, seien Sie beruhigt: Der Text sollte lediglich «das wahre Gesicht der Pinguine zeigen», einer «heillos überschätzten Tierart».

Pinguine gelten als putzig, ihr Äusseres lädt zur Vermenschlichung ein. Weshalb dem antarktischen Seevogel hier aber zwecks Aufklärung statt verniedlichender Anthropomorphismen des Menschen niederste Wesenszüge zugeschrieben wurden, ist mir ein Rätsel. Denn Pinguine sind nun mal Vögel und sollten sich auch wie solche benehmen.

Ganz am Rand erwähnt der Text, das natürliche Artverhalten der Pinguine verändere sich, seit ihre Umwelt wärmer werde. Diese Erwärmung verdanken sie übrigens einer Tierart, die dank komplexerer Hirnentwicklung eigentlich in der Lage wäre, ihr Verhalten zu ändern – vorausgesetzt, sie wäre moralisch auch mit sich selbst so streng.