Präsidentschaftswahl in Peru: Im Sammelbecken des Widerstands

Nr. 15 –

Die Krise in der traditionellen Politik birgt auch Chancen für eine neue Linke. Das zeigt der rasante Aufstieg von Verónika Mendoza in Peru.

Bisweilen sind Verliererinnen interessanter als Gewinner. Am 5. Juni wird in Peru in einer Stichwahl über die Präsidentschaft entschieden, die Wahlberechtigten aber haben keine grosse Wahl. Die Kandidatin und der Kandidat, die sich bei der ersten Runde am vergangenen Sonntag qualifiziert haben, unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander. Beide sind stramm neoliberal. Keiko Fujimori, die 40-jährige Tochter eines ehemaligen Diktators, ist vielleicht ein bisschen autoritärer. Der 77-jährige Investmentbanker Pedro Pablo Kuczynski ist dafür der lupenreinere Marktfetischist.

Eine Verliererin und ein Verlierer sagen allerdings mehr über den politischen Zustand des Landes aus: Verónika Mendoza, die Kandidatin des linken Sammelbeckens Frente Amplio, und der Sozialdemokrat Alan García, Perus Präsident von 1985 bis 1990 und von 2006 bis 2011.

Zu Beginn des Wahlkampfs bekam Mendoza in Umfragen nicht einmal zwei Prozent, war dann aber am vergangenen Sonntag neben Kuczynski eine ernsthafte Anwärterin für die Stichwahl. García, das Schlachtross der sozialdemokratischen Traditionspartei Apra, landete dagegen abgeschlagen bei fünf Prozent. «Die Apra wird nie sterben», sagte er nach der bitteren Niederlage und mag damit – vorläufig – recht haben. Die Partei ist nicht tot, aber sie ist unbedeutend. Sie steht für eine Tendenz in ganz Lateinamerika: Die WählerInnen haben die traditionelle Parteienwirtschaft satt.

Alle haben ihre eigenen Skandale

Fast 200 Jahre lang bestimmten im Wesentlichen zwei Parteien die Geschicke der Länder auf dem gesamten Kontinent: die Interessenvertretung der GrossgrundbesitzerInnen auf der einen und die des Handels- und Finanzkapitals auf der anderen Seite. Politik war Klientelpolitik für die Eliten. Die Bevölkerung wurde mit sozialpolitischen Almosen abgespeist – bis zur Schuldenkrise der achtziger Jahre. Um sie zu überwinden, wurde der «Washington Consensus» durchgedrückt: das neoliberale Diktat von Internationalem Währungsfonds und Weltbank mit knallharter Konkurrenz aller gegen alle. Die beiden vorher relativ homogenen Parteiblöcke zerbrachen darüber in Stücke.

Die Zersplitterung der Parteienlandschaft, verbunden mit einer schamlosen Bereicherung bei den Privatisierungen, war eine Chance für linke, meist aus der Arbeiterbewegung entstandene Parteien. Nur haben sich diese schnell den Gepflogenheiten angepasst. Die gigantische Korruptionsaffäre in Brasilien ist dabei nur der grösste Skandal, in den Linksparteien verwickelt sind. In Venezuela, Argentinien, Chile und Bolivien haben sie ihre eigenen Skandale.

Nur für sich selbst stehen

Wenn die traditionelle Rechte abgewirtschaftet hat und die Linke keine richtige Alternative bieten kann, schlägt die Stunde der sich unpolitisch gebenden PolitikerInnen. Schon 1990 war das die Masche von Alberto Fujimori in Peru gewesen. Die jüngsten Beispiele sind Jimmy Morales in Guatemala und Mauricio Macri in Argentinien: Sie stehen nicht für eine Partei oder ein Programm, sondern nur für sich selbst.

Auch Keiko Fujimori und Pedro Pablo Kuczynski gehören zu dieser Gattung. Letzterer brach eigens orthografische Regeln und nannte seinen Wahlverein «Peruanos por el Kambio» (eigentlich: «Cambio»), damit sich abgekürzt seine Initialen PPK ergeben.

In der Regel verblasst der Glanz dieser SelbstdarstellerInnen schnell. Sie boten selten mehr als neoliberale Klientelwirtschaft. Mit ihrem derzeitigen Präsidenten Ollanta Humala mussten zuletzt die PeruanerInnen diese Erfahrung machen. Der hatte sich auf Stimmenfang links geriert und erwies sich dann doch als Marktfetischist. Solche Enttäuschungen erschüttern die Glaubwürdigkeit – und eröffnen Chancen für eine neue Linke.

Das zeigt der rasante Aufstieg der 35-jährigen Verónika Mendoza. Ihr Frente Amplio ist keine straff organisierte Arbeiterpartei, sondern eine Ansammlung von Leuten, die Erfahrung haben im Widerstand gegen den «Washington Consensus»: Intellektuelle, kleine Linksparteien, soziale Bewegungen. Vor fünf Jahren erreichte ihr Präsidentschaftskandidat 0,3 Prozent. Für Mendoza kam die Wahl vom Sonntag nur noch ein bisschen zu früh. Mit fast 20 Prozent hätte sie beinahe die Stichwahl erreicht.