Agenda

Nr. 40 –

Wellenreiten mit Alvin Lucier

Was ist der Sound eines leeren Raums? Wie klingen unsere Hirnströme? Und wann ist Musik eigentlich Musik? Es sind solche elementaren Fragen zur Metaphysik des Sounds, die in den Werken des US-Komponisten und Klangkünstlers Alvin Lucier auf dem Spiel stehen. «Silver Streetcar for the Orchestra» (1988) heisst ein Stück, das er für verstärkte Solotriangel komponiert hat, für sein Frühwerk «Music for a Solo Performer» (1966) liess er seine eigenen Hirnwellen verstärken. Zu seinem 85. Geburtstag würdigt ihn die Zürcher Hochschule der Künste jetzt mit einem eigenen Festival: fünf Tage mit Konzerten, Installationen und einem Symposium.

Prominentester Gast neben Alvin Lucier ist dabei der Metal-Avantgardist und Lärmguru Stephen O’Malley von der Band Sunn O))), der bei zwei Stücken mitwirken und zum Abschluss des Festivals ein Solokonzert im Kunstraum Walcheturm geben wird. Der Jubilar selber wird unter anderem sein legendäres Stück «I am Sitting in a Room» (1970) aufführen: Darin nimmt er auf, wie er eine Tonbandaufnahme seiner Stimme abspielt, worauf er die neue Aufnahme abspielt, die er auch wieder aufnimmt – und so weiter, bis die Verständlichkeit seiner Stimme hinter den vervielfältigten akustischen Schichten des Raumklangs verschwindet. Der Rest ist Rauschen.

Alvin Lucier 85th Birthday Festival in:  Zürich Zürcher Hochschule der Künste, So–Fr, 9.–14. Oktober 2016. Genaues Programm: www.zhdk.ch/lucier.

Film im Nahen Osten

Die «Huffington Post» nennt diese 334 Minuten das bedeutendste Kunstwerk zum Irakkrieg. Der Film heisst «Homeland: Iraq Year Zero» und ist eine dokumentarische Langzeitstudie des Irakers Abbas Fahdel, der 2002 aus Frankreich in seine Heimat zurückgekehrt ist. Er begleitet seine Nächsten mit der Kamera, zeigt im ersten Teil deren Alltag im letzten Jahr unter Saddam Hussein – und im zweiten Teil das, was nach dem Einmarsch der US-Armee noch übrig ist von diesem Alltag, wenn man ihn denn noch so nennen darf.

Beim letztjährigen Dokumentarfilmfestival Visions du Réel in Nyon gewann Abbas Fahdel mit seinem epischen Heimvideo den Hauptpreis. Jetzt ist das Mammutwerk als Eröffnungsfilm am zweiten Festival de l’Aube in Basel zu sehen. Dieses versammelt neuere Filme aus Syrien, dem Jemen oder dem Irak, wobei es sich in seiner Auswahl und den begleitenden Workshops dem postkolonialen Blick eines Edward Said verpflichtet fühlt.

Festival de l’Aube in: Basel Kultkino Camera, Fr–So, 7.–9. Oktober 2016. Genaues Programm: www.aubefilmfestival.ch.

Fürsorge im Visier

Von wegen Gleichberechtigung: Zwei Drittel aller unbezahlten Arbeiten in der Schweiz werden heute von Frauen ausgeführt, demgegenüber bekommen Schweizer Männer jährlich neun Milliarden Franken mehr an Rentengeldern ausbezahlt als Frauen. Da sind wir schon mittendrin im Care-Komplex, den die Theatergruppe KMUProduktion in «Pflege und Verpflegung – Caregiving Caretakers» ins Visier nimmt. Das Stück von Autor und Regisseur Tim Zulauf will den Notstand in der Care-Ökonomie auf die Spitze treiben, um die Fürsorgearbeit aus dem Würgegriff der Effizienzkontrolle zu befreien. Nach Zürich und Basel ist die Produktion jetzt im Tojo-Theater in Bern zu sehen. 

«Pflege und Verpflegung» in: Bern Tojo Theater, Reitschule, Do–Sa, 6.–8. Oktober 2016, 20.30 Uhr. www.reitschule.ch.