Kost und Logis: Kühe in der Familie

Nr. 20 –

Bettina Dyttrich über die paradoxen Beziehungen zwischen Menschen und Tieren

«Dank dir dürfen wir ja wieder Fleisch essen», sagte ein Bekannter. Ziemlich frustrierend – da schreibe ich lange Texte, und am Schluss bleibt bei manchen LeserInnen ein Fazit hängen, das ich nie gezogen habe. Im angesprochenen Text («Angeklagt: Kuh, Schaf und Geiss» ) habe ich nicht den Fleischkonsum verteidigt, sondern die Rolle der Wiederkäuer aufgezeigt. Zwei Drittel der Landwirtschaftsböden weltweit können nicht gepflügt werden, weil sie zu steil oder zu empfindlich sind oder das Klima zu extrem ist. Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll ist, auf diesem Land Wiederkäuer zu halten. Zudem ist Mist der wichtigste Dünger im Biolandbau.

Doch eine gute und klimafreundliche Tierhaltung ist global nur möglich mit viel weniger Nutztieren. «Dass uns der Globus noch nicht viel mehr um die Ohren geflogen ist, liegt an den vielen Vegetariern und Veganern weltweit», sagte die deutsche Tierärztin Anita Idel, die am Weltagrarbericht von 2008 mitgearbeitet hat, vor einigen Jahren im WOZ-Interview – und Idel ist keine Veganerin, sondern überzeugt, dass es Wiederkäuer braucht.

Aber oft scheint es, als gäbe es in dieser Diskussion nur noch zwei Positionen: für Fleisch oder gegen Fleisch. Es ist absurd, wie sich viele FleischesserInnen von der winzigen Minderheit der VeganerInnen regelrecht bedroht fühlen und absurde Vorwürfe wie «Lustfeindlichkeit» äussern (als hinge Lust von toten Tieren ab!). Jede Veganerin trägt dazu bei, die Nachfrage nach tierischen Produkten zu verringern, und das ist gut.

Trotzdem finde ich die Vision einer Welt ohne Nutztiere, die manche VeganerInnen propagieren, nicht nur wegen der Graslandnutzung abschreckend. Eine Welt ohne Kühe, Schafe, Geissen, Wollschweine und Gänse, ohne ihre unverwechselbaren Charaktere und alles, was wir von ihnen lernen können, wäre traurig. Ich kenne Bäuerinnen und Bauern, die von Kühen und Geissen sprechen, die schon seit Jahren tot sind, als wären es liebe – oder auch mühsame – Familienmitglieder gewesen. Ausgehend von meinen Erfahrungen auf einigen Biohöfen, bin ich überzeugt, dass ein würdiges Zusammenleben mit Nutztieren möglich ist. Auch wenn die Frage, wie eine gute Tierhaltung aussieht, nie fertig beantwortet ist – der Dialog zwischen Verhaltensforscherinnen, Tierhaltern und Konsumentinnen sollte nie aufhören. Dazu gehört auch die Frage, wie das Schlachten aussieht, für Tiere wie für Menschen. Es ist nicht in Ordnung, den ganzen Tag töten zu müssen.

Ich glaube immer mehr, dass sich die Beziehung zwischen Menschen und Tieren nur paradox denken lässt. Menschen sind den Tieren sehr nahe, sind biologisch selber Tiere, teilen sehr viel. Gleichzeitig gibt es einen kulturellen Raum, der den Menschen vorbehalten ist, in dem es eine klare Trennung zwischen Mensch und Tier gibt und in dem sich jeder Vergleich verbietet – vor allem jener zwischen Tierfabrik und KZ.

Billo Heinzpeter Studer von der Organisation Fair-Fish hat ein Buch zum Thema herausgegeben: «Tiere nutzen? Und Pflanzen?» (Edition Mutuelle).

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.