Kommentar zum Umbruch auf dem Schweizer Konzertmarkt: Verkaufen und kapitulieren

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Ein deutsches Unternehmen kontrolliert mit der Übernahme zahlreicher hiesiger Musikagenturen und Open Airs einen beträchtlichen Teil des Schweizer Konzertmarkts.

André Béchir, der Doyen des Schweizer Konzertbusiness, sprach als Einziger im Raum Klartext: «Ich bin Schweizer, sie sind Deutsche – aber die Interessen sind die gleichen: Wir wollen alle Geld verdienen.» Die Frage an Béchir, ob denn jetzt die Deutschen bestimmen würden, welche Bands wir in der Schweiz zu sehen bekämen, war die kritischste an diesem Anlass, aber um Kritik ging es hier nicht – es gab schliesslich etwas zu feiern.

Ende vergangener Woche wurde in der «Amboss Rampe» in der Stadt Zürich der grösste Zusammenschluss auf dem Schweizer Konzertmarkt verkündet: Der deutsche Konzern CTS Eventim, die zweitgrösste Veranstaltungsfirma der Welt, hat sich auf einen Schlag einen beträchtlichen Teil des hiesigen Konzertmarkts einverleibt. Neben dem Open Air St. Gallen und Gadget, der zuvor grössten unabhängigen Konzertagentur des Landes, gehören dazu ein paar weitere kleinere Festivals und Agenturen. André Béchirs eigene Firma abc Production, der Marktführer im Schweizer Konzertbusiness, geht ebenfalls in dem neuen Konstrukt auf, das CTS Eventim zu sechzig Prozent gehört und einen klingenden Namen hat: Gadget abc Entertainment Group.

Mit der Übernahme geht die Konzentration auf dem Konzertmarkt einen weiteren, entscheidenden Schritt voran. Denn viel bleibt nicht mehr übrig vom Kuchen. Anfang Januar hat die TX Group (vormals Tamedia) ihre Ticketingfirma Starticket an eine englische Firma verkauft, die wiederum dem französischen Medienkonzern Vivendi gehört. Und schon Ende 2018 übernahm der US-Konzern Live Nation, der globale Marktführer vor CTS Eventim, die Schweizer Konzertagentur Mainland. Als die WOZ darüber berichtete (siehe WOZ Nr. 29/2019 ), wollten weder Gadget noch Christof Huber, Leiter des Open Air St. Gallen, zu den Gerüchten über einen Verkauf an CTS Eventim Stellung nehmen. Mit gutem Grund: Die Verhandlungen hatten zu diesem Zeitpunkt längst begonnen.

Dass Huber das Open Air St. Gallen nun an CTS Eventim verkauft, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. 2015 noch schloss sich dieses mit ein paar weiteren Festivals und Agenturen zum Dachverband Wepromote zusammen. Mit der neu gegründeten Firma wolle man «mehr Verhandlungsgewicht gegenüber den Agenten grosser Künstler haben und die Unabhängigkeit als Schweizer Veranstalter langfristig sichern», sagte Huber damals gegenüber dem «St. Galler Tagblatt». Diesen Anspruch hat er offenbar schnell wieder aufgegeben. Der Verkauf an einen Konzern verspricht nun finanzielle Absicherung und ein paar Megastars mehr auf den Bühnen – aber er ist auch eine Kapitulation.

Das Interesse von CTS Eventim ist klar: Das Unternehmen will möglichst viele und möglichst teure Tickets verkaufen. Das Geschäftsmodell von Konzernen wie Live Nation und CTS Eventim basiert darauf, möglichst viele Events gleich selber zu veranstalten, um den Absatz von Tickets zu sichern. Weil CTS Eventim mit seiner Marktdominanz in Deutschland – etwa 75 Prozent beim Onlineticketverkauf – mit den Kartellbehörden in Konflikt geraten ist, kauft der Konzern zunehmend im Ausland ein. Zum Unternehmen gehören über vierzig Festivals, es ist Marktführer auf dem europäischen Ticketmarkt.

In der Schweiz besitzt CTS Eventim seit 2010 bereits die Firma Ticketcorner, die ihre führende Position auf dem Markt nun weiter ausbauen wird. Die Tickets für das Open Air St. Gallen werden dieses Jahr erstmals über Ticketcorner verkauft, bei den von Gadget veranstalteten Konzerten wird die Expansion vermutlich weitergehen. Auf dem Konzertmarkt reicht das Spektrum der Firma, die auch KünstlerInnen managt und als Label fungiert, von der Antilopen Gang in der Berner Reitschule über das Radar Festival an der Zürcher Langstrasse bis hin zu Deichkind im Hallenstadion.

Für den Autor und Tourneeveranstalter Berthold Seliger, der in seinem Buch «Vom Imperiengeschäft» das globale Konzertbusiness durchleuchtet hat, etabliert sich mit der neusten Übernahme auch in der Schweiz das Duopol von Live Nation und CTS Eventim, wie er gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärte. Für die KonzertbesucherInnen habe das durchaus schlechte Folgen: Die Ticketpreise würden weiter steigen, und musikalisch laufe die Entwicklung auf eine Monokultur hinaus. Das Open Air St. Gallen beispielsweise werde in Zukunft wohl vermehrt KünstlerInnen buchen, die bei CTS Eventim unter Vertrag sind. Damit verliert das Festival wohl auch noch den letzten Rest seiner kulturellen Eigenständigkeit.