Gemeindewahlen: Viele kleine Schritte nach links

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In mehr als 200 Gemeinden in den Kantonen Aargau und Bern fanden am Wochenende Wahlen statt. Vielerorts konnte das linke Lager dazugewinnen, während die SVP auf der Strecke blieb. Was sind die Gründe? Die WOZ hat sich in den Lagern der linken Wahlsieger:innen umgehört.

«Es gibt auch einen sozialen und ökologischen Aargau, und der wird zunehmend lauter», sagt Gabriela Suter. Die Präsidentin der kantonalen SP blickt auf ein erfolgreiches Exekutivwahlwochenende zurück. In Lenzburg und Baden konnte ihre Partei je einen Sitz in der Stadtregierung dazugewinnen, in Aarau den frei gewordenen SP-Sitz verteidigen. Und in immer mehr Aargauer Städten regiert Mitte-Links.

Für Nationalrätin Suter ist das kein Zufall: «Die drängendsten Themen für viele Menschen in Stadt und Agglomeration sind Tagesschulen, der Fuss- und Veloverkehr oder Freiräume und öffentliche Infrastruktur. Hinzu kommt die Bekämpfung der Klimakrise als grosses übergeordnetes Thema. Wir bieten – gemeinsam mit den Grünen – am ehesten Antworten darauf.» Hinzu komme, dass die SP in vielen aktuellen Wahlkämpfen auf lokal gut vernetzte und bekannte Leute habe setzen können. Die neu in die Exekutive Gewählten Silvia Dell’Aquila in Aarau oder Steffi Kessler in Baden hätten sich davor lange und erfolgreich in der lokalen Kulturpolitik engagiert.

Stadt-Land-Polemik verfängt nicht

Auch Daniel Hölzle ist hörbar gut gelaunt am Telefon. Der Präsident der Grünen Partei im Kanton Aargau freut sich über mehrere beachtliche Legislativwahlerfolge in Städten wie Baden, Wettingen oder Zofingen – und zwar nicht auf Kosten der SP, wie das etwa bei den letzten kantonalen Wahlen 2020 der Fall gewesen war. Grosse Verliererin der vielen kommunalen Wahlen im Aargau war dieses Mal die rechtsnationale SVP, die im Kanton aber noch immer mit Abstand die wähler:innenstärkste Partei ist. «In meiner Heimat Zofingen hat sich diese Entwicklung abgezeichnet», sagt Hölzle. «Während die Grünen vor acht Jahren noch keine Liste auf die Beine stellen konnten, umfasste die Grüne Liste dieses Mal achtzehn Personen, darunter waren auch bekannte Persönlichkeiten und vor allem auch junge, kreative Leute, die Schwung in den Wahlkampf reinbrachten», sagt Hölzle. Die Folge: Verdoppelung der Sitzzahl im Stadtparlament von drei auf sechs.

Die SVP hingegen leide sichtlich unter dem von der nationalen Parteiführung hochstilisierten Kampf zwischen dem tüchtigen Land und den schmarotzenden Städten. «In den Städten steht man als Mitglied der SVP damit sehr bekloppt da», so Hölzles Einschätzung. Hinzu komme, dass mit SVP-Nationalrat Andreas Glarner eine sehr polarisierende und weit rechts stehende Figur die Kantonspartei anführe. «Er hat sich öffentlich mit dem kantonalen Gesundheitsdirektor, einem Parteikollegen, über die Coronapolitik gestritten. Auch das war nicht hilfreich», schiebt Hölzle nach.

Mehrere kommunale Wahlen fanden am Wochenende auch im Nachbarkanton Bern statt, mit ganz ähnlichen Resultaten: Die Grünen und auch die GLP legten deutlich zu, während die SP konstant blieb oder ebenfalls gewann. Eine Tendenz, die sich für Natalie Imboden, Präsidentin der Grünen im Kanton Bern, schon länger abzeichnete. 2018 war das linke Referendum gegen die Senkung der Gewinnsteuer grosser Unternehmen erfolgreich, ein Jahr später konnte das rot-grüne Lager einen dramatischen Sozialabbau, den SVP-Sozialdirektor Pierre Alain Schnegg durchsetzen wollte, an der Urne verhindern. Und letztes Wochenende sagten 64 Prozent der Berner Stimmberechtigten Ja zum Klimaschutzartikel in der Kantonsverfassung. «Die bürgerliche Durchmarschpolitik funktioniert zunehmend auch in ländlichen Regionen nicht mehr», sagt Imboden. «In den Bergregionen im Berner Oberland drohen Bergstürze, in der Gemüseanbauregion im Bieler Seeland gab es diesen Sommer verheerende Überschwemmungen. Die bürgerliche Seite, insbesondere die SVP, hat für diese Herausforderungen keine überzeugenden Lösungen.»

Ökologisch einiges möglich

Das sieht auch David Stampfli so, SP-Kantonsparlamentarier und Mitglied der kantonalen Parteileitung. Seine Partei hat im Frühjahr 2021 eine Initiative für eine kantonale Elternzeit von 24 Wochen eingereicht. «Während der durch Corona erschwerten, aber letztlich sehr erfolgreichen Unterschriftensammlung hat sich gezeigt, dass dieses Anliegen sehr viele Leute stark bewegt.» Soziale und ökologische Fragen seien für immer mehr Wähler:innen vordringlich. Den Parlaments- und Regierungswahlen auf kantonaler Ebene im kommenden März blickt Stampfli deshalb zuversichtlich entgegen.

Auch Tanja Bauer, die soeben bestgewählte Parlamentarierin in Köniz, der grössten Agglomerationsgemeinde der Schweiz mit 43 000 Einwohner:innen, freut sich über die linken Wahlerfolge in ihrer Heimat. Euphorisch ist Bauer, die für die SP auch im Kantonsparlament sitzt, nicht: «Weder im Parlament noch in der Regierung hat Rot-Grün in Köniz eine Mehrheit. Die Räume für politische Gestaltung bleiben eng. Die bürgerlichen Parteien betreiben eine knallharte Austeritätspolitik, dabei wünschen sich viele hier in Köniz dringend nötige Investitionen in die Quartierentwicklung oder in Tagesschulen», sagt Bauer. Ökologisch werde einiges möglich sein, weil da die GLP eine mögliche Partnerin sei, bei der Sozial- und Finanzpolitik hingegen stehe diese aber auf der anderen Seite. Das Ziel müsse deshalb mittelfristig eine links-grüne Mehrheit sein.