Credit Suisse: Die Krisenbank kann die Finger nicht von der Kohle lassen

Nr. 41 –

Die Misere der Credit Suisse wird immer grösser. Mit dem Rücken zur Wand agiert die Bank jedoch nicht verantwortungsvoller – das zeigt ein von der WOZ aufgedecktes Kohlegeschäft.

Ob es die Credit Suisse nach dem 27. Oktober noch in der heutigen Form geben wird, ist zurzeit eine wild diskutierte Frage. Ob sie es überhaupt bis dahin schafft, ebenso.

Analogien zur Finanzkrise 2008 fluten das Internet. Sogenannte Credit Default Swaps, mit denen sich Investor:innen gegen einen Kollaps der Credit Suisse versichern, erreichten letzte Woche Rekordpreise. Im Zentrum steht ein Finanzloch bei der zweitgrössten Schweizer Bank, über das aufgeregt spekuliert wird. Analyst:innen der Deutschen Bank schätzten es vor kurzem auf rund vier Milliarden Franken. Verglichen mit dem aktuellen Börsenwert der zweitgrössten Schweizer Bank, rund zehn Milliarden Franken, eine beträchtliche Summe. Zur Frage, woher das fehlende Geld kommen soll, schweigt die Bank bislang eisern.

Mit ihrem Geschäfts­gebaren schadet die Credit Suisse vor allem dem Globalen Süden.

Stattdessen vertröstete CEO Ulrich Körner kürzlich auf den 27. Oktober – den Tag, an dem Details zur geplanten Umstrukturierung bekannt gegeben werden sollen. Und er ergänzte in einem an die Öffentlichkeit gelangten internen Memo: «Ich hoffe […], dass Sie unsere tägliche Aktienkursentwicklung nicht mit der starken Kapital- und Liquiditätsposition der Bank verwechseln.» Zur Bestätigung dieser starken Kapitalbasis gab die Bank kürzlich bekannt, Schulden im Wert von drei Milliarden Franken zurückzukaufen.

Panische Anleger:innen

Dass die Bank selbst nichts von einem möglichen Kollaps wissen will, ist logisch. Kurz darauf bestätigte aber auch das Finanznachrichtenportal Bloomberg diese Sicht der Dinge ­– es veröffentlichte eine Einordnung mit dem Titel «No, Credit Suisse Isn’t on the Brink». Darin verweist Bloomberg vor allem auf die grossen Kapitalreserven der Bank und schreibt, dass mehr als genug Geld vorhanden sei, um die Geschäfte zu führen, die Credit Suisse aber aktuell nicht genug Rendite erwirtschafte, um aus den Schwierigkeiten zu finden.

Diese Einschätzung teilt Angelo Ranaldo, Professor für systemische Finanzrisiken an der Universität St. Gallen, auf Anfrage der WOZ. Er hält es für unwahrscheinlich, dass die Credit Suisse ein ähnliches Schicksal ereilt wie 2008 die Bank Lehman Brothers, deren Kollaps die Finanzkrise ausgelöst hat. Ranaldo attestiert der CS «viel bessere Kapital- und Liquiditätsreserven», er verweist aber auch auf die Schweizer Nationalbank und andere starke Institutionen hierzulande, die das nicht zulassen würden. «Ich glaube, dass die Bank nach einigen Korrekturen und dem Wechsel des Managements mit kompetenteren Leuten wieder auf die Spur findet.»

Kurz: Die Credit Suisse wird einige Federn lassen müssen, ihren Kopf aber wohl aus der Schlinge ziehen können. Das gilt auch für ihre Anleger:innen, in erster Linie aus dem Globalen Norden. Dass diese derzeit medial Panik verbreiten, hat einen klaren Grund: Die aktuelle Situation der Bank ist eine akute Bedrohung für ihre Vermögen. Und sollte die Krise bei der Bank weitere Kreise ziehen, träfe es aufgrund ihrer systemisch relevanten Rolle auch die Volkswirtschaften des Globalen Nordens.

Die aktuelle Krise darf jedoch nicht vergessen machen: Mit ihrem Geschäftsgebaren befördert die Bank seit Jahrzehnten globale Ungleichheit sowie die Klimakatastrophe und schadet damit vor allem dem Globalen Süden. Zu nennen ist die seit 2016 anhaltende Schuldenkrise in Moçambique, verursacht durch einen nachweislich illegalen Kredit der Credit Suisse. Zu nennen sind Diktator:innen weltweit, denen die Credit Suisse seit Jahrzehnten sichere Bankkonti bietet, wie eine Allianz rund um die «Süddeutsche Zeitung» im Februar aufgedeckt hat. Zu nennen ist die US-amerikanische Frackingindustrie, zu deren wichtigsten europäischen Geldgebern die Credit Suisse seit Jahren gehört. Und zu nennen ist schliesslich auch die enge Verbundenheit mit der indonesischen Kohleindustrie, wie die WOZ bereits 2015 aufzeigte (siehe WOZ Nr. 51/15).

Drei Millionen für den Kohledeal

Damals liess die Medienstelle der Credit Suisse verlauten: Die Bank habe sich zu einer «verantwortungsvollen Geschäftsführung verpflichtet» und prüfe «Geschäftsbeziehungen mit sensitiven Wirtschaftssektoren wie der Kohle- und Ölförderung besonders sorgfältig».

Aus klimatechnischer Sicht ist heute noch klarer, was schon 2015 überdeutlich war: Kohlegeschäfte dürfen nicht weiter gefördert werden. Dessen ungeachtet hat die CS in diesem Sommer vereinbart, den Verkauf des Kohlegeschäfts des thailändischen Staatskonzerns PTT an das indonesische Kohleunternehmen Astrindo Nusantara Infrastruktur zu organisieren – das zeigen Daten der Wirtschaftsdatenbank Refinitiv, die die WOZ exklusiv ausgewertet hat. Das Paket umfasst zwei Kohleminen auf Kalimantan sowie Anteile weiterer Kohleminen auf Madagaskar sowie in Brunei.

Brisant ist der Kauf vor allem deshalb, weil er die Scheinheiligkeit der globalen Klimapolitik aufzeigt: Der thailändische Staat hat sein Kohlegeschäft abgestossen, weil er bis 2050 klimaneutral werden will. Die neuen indonesischen Besitzer hingegen wollen auch langfristig auf den Kohlebergbau setzen. Die Kohleminen auf Kalimantan werden dabei von der Firma Sakari Resources betrieben, einem Tochterunternehmen von PTT Mining. Gemäss der Global Coal Exit List der nichtstaatlichen Organisation Urgewald beabsichtigt Sakari Resources, den Kohlebergbau auf Kalimantan gar auszubauen. Der Deal ist auf Ende Jahr geplant, und es sollen Aktien im Wert von 477 Millionen US-Dollar den Besitzer wechseln. Die Credit Suisse soll dafür 3,2 Millionen US-Dollar erhalten.

Kein Kurswechsel in Sicht

Auf Anfrage schreibt die Credit Suisse, dass sie sich nicht zu Kundenbeziehungen äussere. Sie verweist stattdessen auf ihre internen Klimaziele sowie auf Richtlinien, die die Geschäftstätigkeiten mit Kohleunternehmen einschränken. Ein Blick in die genannten Richtlinien zeigt jedoch das Problem: Beratungsdienstleistungen bei Firmenfusionen und -übernahmen wie im oben beschriebenen Fall der PTT Mining sind von den Richtlinien nicht erfasst. Sie schränken – sofern es sich nicht um Kohlebergbau in Schutzgebieten oder um andere Spezialbestimmungen handelt – lediglich Kreditvergaben und sogenanntes Kapitalmarkt-Underwriting (die Herausgabe von Aktien oder Anleihen) ein.

Die Credit Suisse bestätigt dies auf Anfrage, weist aber darauf hin, dass dennoch alle Transaktionen mit Unternehmen, die in den Kohleabbau involviert seien, einer verstärkten Sorgfaltsprüfung unterlägen und einen «bankweiten Reputations-Risiko-Prüfungsprozess auslösen können».

Für die Credit Suisse, ihre Anleger:innen und im schlimmsten Fall die Schweizer Steuerzahler:innen ist vorerst der 27. Oktober von Bedeutung, wenn die Bank die nächsten Umstrukturierungsschritte bekannt geben wird. Für kommende Generationen wie auch für schon heute von der Klimakatastrophe Betroffene geht es hingegen darum, dass Banken wie die Credit Suisse aufhören, der Kohleindustrie oder machthungrigen Autokrat:innen den Rücken zu stärken. Es gibt bislang keine Anzeichen, dass die Credit Suisse mit dem Rücken zur Wand ihr Geschäftsmodell in diesem Sinne restrukturieren wird.