Feministischer Streik: Links geboren, links geblieben

Nr. 25 –

Wie redet man eine Bewegung klein? So, wie es die Bürgerlichen im Vorfeld des Feministischen Streiks versucht haben, auf jeden Fall nicht.

Nach zwei Stunden stehen wir immer noch auf der Berner Schützenmatte, wo sich der Demoumzug versammelt hatte, in Violett, Rosa und allen Farben. Es trommelt um uns herum, es schreit und wummert vom Wagen, wir trinken Bier und Prosecco aus Dosen, weil ja: Diese Demonstration war vor vier Jahren schon und ist auch heute ein grosses Fest. Und es heisst, auf dem Bundesplatz stehen sie schon lange, es kämen einfach immer mehr Leute, während wir hier hinten, wie gesagt, noch nicht einmal losgelaufen sind.

Herzlichen Gruss also direkt vom Platz an die Rechte! Ihr könnt uns, offensichtlich, nicht kleinreden. Denn was wurde da im Vorfeld alles gejammert und behauptet: Diverse Zeitungen berichteten von angeblichen unüberbrückbaren Differenzen innerhalb der Frauen- und feministischen Organisationen, monierten, die Linken hätten den Streik gekapert, und liessen zur Unterstreichung Vertreter:innen der bürgerlichen und rechten Parteien zu Wort kommen. Die beiden Lieblingskritikpunkte: einerseits, dass heuer zum «Feministischen Streik» und nicht zum «Frauenstreik» aufgerufen wurde, andererseits die angeblich extremen Forderungen, die sich wie das Programm von Gewerkschaften und Linksparteien läsen.

Dezentral und vielteilig

Aber im Ernst: Lohngleichheit, existenzsichernde Renten, Mindestlöhne; das Recht, am Arbeitsplatz nicht belästigt zu werden, kürzere Arbeitszeiten, Kinderbetreuung als Service public? Solche Forderungen klingen vernünftig, aber sicher nicht extrem. Kein Wunder, dass 2023 manch eine:r keine Lust mehr hat, sie lieb, lächelnd und konkordant vorzutragen. Denn diese Forderungen sind ausserdem ziemlich deckungsgleich mit jenen, die schon beim Frauenstreik von 1991 gestellt wurden.

Sowieso zeugt die Vermutung der linken Kaperung des Streiks von bemerkenswerter Geschichtsvergessenheit: Schliesslich kam die Idee für den ersten Frauenstreik 1991 von Uhrenarbeiterinnen im Jura, die sich gegen ihre im Vergleich zu den Männern tieferen Löhne wehrten. Christiane Brunner, damalige Zentralsekretärin des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbands (Smuv) sowie SP-Politikerin, trug sie weiter in den Gewerkschaftsbund. Dieser anfänglich skeptische, männerdominierte Haufen konnte sich mit knapper Mehrheit zu einem Streikaufruf und zur Gründung eines Streikkomitees durchringen.

An der Mobilisierung beteiligt waren damals schon diverse Vertreter:innen der Gewerkschaften, linke Parteien wie die Sozialistische Arbeiterpartei sowie linke Frauenorganisationen wie die Organisation für die Sache der Frau (Ofra). Auch dieser Streik war dezentral und vielteilig organisiert, ebenso wie es jener von 2019 und der diesjährige waren.

Der Frauenstreik ist in der linken Arbeiterinnenbewegung geboren, wurde seit seinen Anfängen von einer Vielzahl linker Organisationen, Parteien, Gruppen und Kollektive getragen – und er ist links geblieben. Wenn sich Bürgerliche trotz allem hinter die Forderungen des Streiks stellen können und wollen, wie das einige 1991, 2019 und, wagen wir zu behaupten, auch 2023 getan haben, dann ist das natürlich erfreulich. Wenn sie aber dadurch in ein Dilemma geraten, weil das, wofür sie einstehen würden, irgendwie verboten feministisch klingt, dann ist das, nun ja: eben ihr Problem.

Feiern und Demonstrieren

Dass der Streik heute «Feministischer Streik» heisst, zeugt dabei nicht von mehr oder weniger Radikalität, sondern davon, dass seine Macher:innen aktuelle Diskurse reflektieren und in ihre Überlegungen aufnehmen – etwa die basale (und überhaupt nicht neue) Feststellung, dass der Feminismus nicht nur Frauen etwas nützt. Dafür, dass die feministische Bewegung auch den Kämpfen von trans, inter und nonbinären Menschen Platz bieten muss, ist die Umbenennung ein wichtiges Symbol. Sich dagegen auszusprechen (während man gleichzeitig den eigenen «Ausschluss» beklagt), passt leider gut zur transfeindlichen Agenda der Rechten, die von ihnen in diesem Wahljahr besonders scharf vertreten wird.

Zurück auf der Strasse: Über 300 000 Personen schweizweit hat dieser aufgebauschte Konflikt nicht davon abgehalten, am 14. Juni auf die Strasse zu gehen. Auf dem Bundesplatz endlich angekommen, ist die Stimmung beinah euphorisch. Das fette Unia-Logo auf der violetten Faust, die über allem schwebt, hätte man sich trotzdem gerne sparen können. So viele unterschiedliche Gruppen, Kollektive, Organisationen, Freundeskreise sind an diesem Tag dabei, haben im Vorfeld organisiert und mobilisiert – diese Dezentralität und Vielteiligkeit zu feiern, statt ihnen ein einziges Logo anzukleben, wäre ein schöneres Zeichen gewesen.

Der Streik von 1991 wurde im Nachgang von den Medien übrigens vielerorts als Volksfest inszeniert – auch das ein Versuch, der Bewegung die Schlagkraft abzusprechen. Auf den Strassen und Plätzen dieses Landes gab es am 14. Juni 2023 ungeachtet solcher Polemiken wieder einmal den Beweis zu sehen: Feiern und Demonstrieren geht problemlos zusammen.