Kino-Film «Madres paralelas»: Spaniens dunkle Vergangenheit

Nr. 50 –

Verzweifelte, von Schuldgefühlen geplagte Mütter, abwesende Väter, verstorbene Kinder: Pedro Almodóvar bleibt in seinem neusten Film nicht nur seinen Lieblingsthemen, sondern auch seinen Lieblingsfrauen treu. Die grossartige Penélope Cruz spielt in «Madres paralelas» einmal mehr eine Hauptrolle, und mit Rossy de Palma als ihrer besten Freundin ist eine Schauspielerin zu sehen, die Almodóvars Schaffen seit 35 Jahren prägt.

Cruz ist Janis, eine erfolgreiche Fotografin in Madrid. Als die Vierzigjährige ungeplant schwanger wird, ist für sie klar, dass sie das Kind haben wird – auch ohne Unterstützung des Erzeugers. Sie werde die Familientradition der alleinerziehenden Mütter fortsetzen, meint sie: Schon die Urgrossmutter hat Janis’ Grossmutter einst alleine aufgezogen, nachdem der Urgrossvater im Spanischen Bürgerkrieg von den Falangisten ermordet worden war. Im selben Haus in der spanischen Provinz zog die Grossmutter später wiederum Janis auf, da deren Mutter mit 27 Jahren an einer Überdosis gestorben war – wie die Sängerin, nach der sie ihre Tochter benannt hatte.

Spaniens dunkle Vergangenheit, die bis heute die Gesellschaft durchdringt, bildet eine Art Rahmen: Janis weiss, wo sich das Massengrab befindet, in dem ihr Urgrossvater liegt, ihr Ziel ist, dass es geöffnet wird. Es sei sein politischster Film, sagte Almodóvar in einem Interview. «Du solltest wissen, auf welcher Seite deine Familie in diesem Krieg stand, damit du weisst, wer du selber bist!», schimpft Janis mit der gerade einmal achtzehnjährigen Ana (auch grossartig: Milena Smit), die sie in der Geburtsklinik kennengelernt hat. Auch Ana ist alleinerziehende Mutter – und auf tragische Weise mit Janis verbunden. Allerdings ahnt sie nichts davon. Denn während Janis nach Aufklärung der Vergangenheit strebt, verschweigt sie Ana eine Wahrheit, die die Gegenwart beider betrifft.

All diese grossen Gefühle inszeniert Almodóvar mit der ihm eigenen Üppigkeit: dramatische Musik, bis ins letzte Detail durchkomponierte Räume, lange Dialoge – und immer wieder wunderschön ausgeleuchtete Grossaufnahmen von den Frauengesichtern, die langsam ausgeblendet werden.

Madres paralelas. Regie und Drehbuch: Pedro Almodóvar. Spanien 2021