Medienförderung: Neuigkeiten für die hintersten Täler

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Im Bündnerland ist die Medienlandschaft noch weitgehend intakt. Doch die italienischsprachige Minderheit fühlt sich an den Rand gedrängt. Das Medienpaket wäre ein Segen für sie.

Die Umrisse des grössten Flächenkantons erinnern an jene der Schweiz. Aber anders als im übrigen Land ist die Medienlandschaft in Graubünden noch weitgehend intakt. Mit Betonung auf «noch». Beinahe dreissig Radio- und Fernsehsender, Printzeitungen und Onlineportale versorgen das Bündnerland mit seinen zahlreichen Talschaften mit Informationen. Das liegt auch daran, dass der Staat diese Medien zum Teil stark fördert. So bezahlen beispielsweise Bund und Kanton die Redaktion der romanischsprachigen Tageszeitung «La Quotidiana» vollständig. Sonst gäbe es sie längst nicht mehr.

Die Kantonsregierung hat im vergangenen Jahr die Universität St. Gallen mit einer Analyse der Mediensituation im Kanton beauftragt. Denn die staatliche Förderung wird angesichts der Ertragslage der Medien und der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle in Zukunft noch wichtiger. Mitte-Nationalrat Martin Candinas sagt: «Wenn Zeitungen eingehen oder Redaktionen wegen der abnehmenden Werbeeinnahmen zusammengespart werden, fehlen in den Talschaften unabhängige Informationen und Diskussionsforen. Das würde die direkte Demokratie gefährden. Noch funktioniert es aber», sagt er. Der Kanton Graubünden spiegelt gewissermassen das mediale Problem vieler Schweizer Regionen.

Die Bedeutung des Medienpakets lässt sich am Onlineportal «Il Bernina» darstellen. Es war eine der ersten abonnierten Onlinezeitungen der Schweiz. Am 1. Mai 2004 gründeten 72 Puschlaver:innen die Associazione il Bernina als Trägerschaft des Mediums. Das Portal stiess auf Zuspruch, verzeichnete bald monatlich 8000 Besucher:innen. Die Inhalte produzierten zunächst Freiwillige.

Geringes Werbeaufkommen

Mittlerweile macht die Zeitung über 100 000 Franken Umsatz, sie hat 1100 Abonnent:innen, es gibt drei Festangestellte: einen Chefredaktor (60-Prozent-Stelle) und zwei Redaktoren (je 35 Prozent). Sie produzieren täglich ein bis zwei recherchierte Beiträge. «Il Bernina» hat sich etabliert. Täglich zählt das Portal unter der Woche 3500 Besucher:innen, am Wochenende sind es jeweils 2000, darunter viele ausgewanderte Puschlaver:innen.

Nicht wirklich etablieren konnte sich «Il Bernina» auf dem Werbemarkt. Bruno Raselli, Präsident der Trägerschaft, sagt: «Wir haben einige wenige Sponsoren – und ein geringes Werbeaufkommen. Der Markt ist sehr klein.» Die Annahme des Medienpakets würde die Lage der Onlinezeitung substanziell verändern. Sie bekäme voraussichtlich rund 60 000 Franken vom Bund. «Damit könnten wir unsere redaktionelle Leistung nochmals entscheidend verbessern, unseren Redaktoren ein gutes Auskommen sichern und den Menschen hier ein noch besseres Forum bieten», sagt Raselli. Er betont, dass der Rückhalt im Tal und bei den vielen Ausgewanderten stark sei.

In den drei italienischsprachigen Tälern Puschlav, Bergell und Misox fühlt sich die kleine Minderheit am Rande des Kantons medial vernachlässigt. «Die grossen Medien beachten uns oft nur dann, wenn Skandale und Skandälchen hochkochen», sagt Raselli. Anders als die Romanischsprachigen können sie von einer Tageszeitung bloss träumen. Sie behelfen sich mit Onlineportalen selber. Neben «Il Bernina», dem grössten und journalistisch professionellsten im Puschlav, gibt es eines im Bergell und eines im Misox. Naheliegend wäre, dass die drei Portale Artikel austauschen und so im Kanton einen überregionalen italienischsprachigen Journalismus etablieren könnten. Doch es fehlt an den Mitteln. «Dafür würden wir ein neues Redaktionssystem benötigen. Das können wir uns schlicht nicht leisten», sagt Raselli.

SVP-Sektion gegen Förderung

Es wäre eine vergleichsweise bescheidene Investition, die Kanton und Bund für diese Minderheit leicht stemmen könnten. «Ausserdem», sagt Raselli, «gäbe das gute Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten in den Tälern.» Das Medienpaket, sagt Raselli, würde allen im Puschlav nützen. Daher fehlt ihm jedes Verständnis dafür, dass die lokale SVP-Sektion für die Vorlage die Nein-Parole beschlossen hat. «Als Region werden wir ohnehin vernachlässigt, die grossen Medien machen ihre Hausaufgaben nicht, genauso wenig der Kanton. Rufe ich abends die Polizei an, wird das Telefon in Chur entgegengenommen. Das steht sinnbildlich für das, was ich meine.»

Allerdings ist auch das grösste Medienhaus im Bündnerland unter Druck. Somedia geriet 2018 in eine Krise. Susanne Lebrument, die als Delegierte des Verwaltungsrats der Unternehmensleitung angehört, sagt: «Damals standen schon Kaufinteressenten vor der Tür. Aber wir sehen uns als Familie in der Verantwortung für das Bündnerland.» Ein Verkauf kam nicht infrage. Die Konsequenzen wären wohl dieselben gewesen wie etwa in Bern oder Basel. Die Redaktion wäre ausgedünnt worden, Somedia wäre bloss noch ein Satellit eines der ganz grossen Medienhäuser oder rechter, sparorientierter Investor:innen. «Das wollten wir nicht. Es hätte die Region geschwächt.»

Allerdings sei es wichtig, Zeit für die digitale Transformation zu gewinnen und sich neu aufzustellen. «Daher unterstützen wir das Medienpaket. Wir zahlen übrigens seit Jahren keine Dividenden aus, wir investieren das Geld in den Journalismus und nicht in Jachten oder dergleichen.»