Ein Traum der Welt: Mitarbeiter­gespräch

Nr. 40 –

Annette Hug wartet auf News aus Houston

Eine Weltraumsonde ist erfolgreich in einen Asteroiden geprallt. Was wir im Dinosauriermuseum erlebten, wird nun unwahrscheinlicher. Im Videoraum, etwa 2009, sassen wir in brennenden Steppen und Wäldern, also mittendrin, als der Erdball für die Riesenechsen unbewohnbar wurde. Der Knirps neben mir nahm das nicht so ernst, aber mir wurde speiübel. Es war exakt dasselbe Gefühl wie bei Fernsehnachrichten über Atombomben in den frühen achtziger Jahren. Ein körperliches Weltuntergangsgefühl, das ausgerechnet beim Film «Armageddon» mit Bruce Willis nicht eintrat.

Als ich den etwa 2011 zum ersten Mal sah, lachte ich mich fast kaputt. Als Gewerkschaftssekretärin fehlte mir damals eine Sprache, die auch nur annähernd an die Dramatik herankam, die sich in den täglichen Arbeitskonflikten zeigte. Da war eine ständige Vibration, ein Lärm, eine Lähmung und viel Ärger, all das ging in den Schlaf ein, auch als Albtraum, zum Nachdenken blieb keine Zeit. Ich meinte, das Knirschen im Gebälk der gesellschaftlichen Strukturen zu hören, wenn Untergebene Anordnungen nicht befolgten und querulierten oder wenn ein Küchenteam einen Brief schrieb, bevor wieder jemand krankheitshalber ausfiel. Versuche der literarischen Einfühlung ins Proletariat oder Prekariat, die ich las, blieben fad.

Dagegen begeisterte jener Aufruf eines fiktiven Nasa-Direktors an seine 14 000 Angestellten: «Wir wissen nicht mehr weiter. Vielleicht hat jemand von euch eine verrückte Idee auf einen Pizzakarton gekritzelt. Schickt sie uns!» Und tatsächlich: Man könnte den Asteroiden, der auf die Welt zurast, in die Luft sprengen! Nur einer kann das: Bruce Willis holt seine alten Kumpel zurück, Tiefseebohrer, die meisten entlassen oder halbinvalid. Doch bevor sie die Welt retten, müssen sie bei der Nasa ein Personalgespräch führen. Mit der Human-Resources-Abteilung. Und fallen natürlich durch. Einer bricht in Tränen aus, wenn er von seiner Mutter spricht, der andere fegt die Lampe vom Tisch. Was gehen diesen HR-Schnösel seine Gefühle an?

Eine genüsslichere Antwort auf die Zumutung von Beurteilungsgesprächen zu Sozial- und Selbstkompetenzen kannte ich nicht. Sodass mir erst Jahre später, als ich mir «Armageddon» nochmals anschaute, aufstiess, wie da ständig rumgeballert wird, wenn irgendein Konflikt auftaucht, und immer klar ist, dass die einzige weibliche Figur des Films nur dazu da ist, Männer anzuhimmeln. Da war Trump schon Präsident, und die Tatsache, dass am Schluss ein Redneck mit einer Atombombe die Welt rettet, wirkte wie Alt-Right-Propaganda.

Die aktuelle Medienkonferenz der Nasa zum erfolgreichen Impact der Weltraumsonde Dart auf den Asteroiden Dimorphos ist da deutlich anregender. Dr. Elena Adams und Dr. Carolyn Ernst, flankiert von zwei nachdenklichen Männern, begeistern die Medienvertreter:innen. Adams schwärmt von den neuartigen Solarpanels, die toll funktioniert hätten. Nix Atombombe. Ernst beschreibt zwar eine Wolke von Kies, die wahrscheinlich zu sehen sei, wenn dann Bilder zur Verfügung stehen würden, aber im Prinzip sei eine Explosion zu vermeiden, man wolle einfach den Kurs des Asteroiden leicht verschieben. Ob das geklappt hat, wird man in einigen Monaten voll berechnet haben. Für Bruce Willis bleibt keine Rolle. Wer wütet dann gegen die HR-Abteilung?

Annette Hug ist ehemalige Gewerkschaftssekretärin und Autorin mit einer politischen Beziehung zu Bruce Willis.