Durch den Monat mit Astrid Björnsen (Teil 2) : Wieso soll die Landwirtschaft nicht sparen?

Nr. 28 –

Die Umweltwissenschaftlerin Astrid Björnsen begrüsst es, dass die Politik sich um den Umgang mit Wasser kümmern will. Angesichts der zunehmenden Trockenheit dürfe man aber auch Waldbrände nicht vergessen.

Astrid Björnsen
«Als der Projektleiter mich fragte, was ich sonst noch bieten könne, sagte ich unüberlegt: Insekten inventarisieren!», erinnert sich Astrid Björnsen.


WOZ: Astrid Björnsen, letzte Woche sind die Trockenheit und der Umgang mit Wasserressourcen endlich zum Wahlkampfthema geworden: Die Grünen haben ein entsprechendes Programm veröffentlicht und fordern unter anderem ein besseres Wassermanagement von Bund und Kantonen. Was halten Sie von diesem Vorstoss?

Astrid Björnsen: Ich habe ihn erfreut zur Kenntnis genommen. Da sind viele wichtige Punkte berücksichtigt, die bereits im nationalen Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung» auf den Tisch gekommen sind. Dieses ist mittlerweile zehnjährig, die Erkenntnisse daraus aber noch aktuell. Schon damals war klar, dass es eine sektorenübergreifende Planung und Regelung auf Bundesebene, aber auch auf kantonaler und kommunaler Ebene braucht. Im Bereich des Hochwasserschutzes, wo es auch ums Wassermanagement geht, funktioniert das bereits. Diese Erfahrung müsste auf Zeiten akuter Trockenheit ausgeweitet werden.

Was genau funktioniert beim Hochwasserschutz bereits?

Da sind die Kantone und Gemeinden mittlerweile gut organisiert. Sie stützen sich beispielsweise auf Prognosen, etwa von Meteo Schweiz, und arbeiten bereits im Vorfeld von Starkregenereignissen mit Wasserkraftbetreibern zusammen. Wenn diese die Pegel ihrer Reservoire absenken, können sie einen Teil der Regenflut aufnehmen. Auch die meisten Seen lassen sich über Wehre regulieren. Wenn man etwa vorausschauend Wasser aus dem Brienzer- und dem Thunersee ablässt, funktionieren sie als Auffangbecken und können zum Beispiel eine weitere Überschwemmung des Berner Mattequartiers verhindern.

Im Wasserprogramm der Grünen wird auch zum Wassersparen aufgerufen, aber vor allem auf individueller Ebene. Erstaunlich scheint aber, dass die Landwirtschaft kein Thema ist …

Ja, dieser Bereich fehlt im Programm weitgehend. Wie konfliktreich und herausfordernd Veränderungen in der Landwirtschaft sind, hat kürzlich die hitzige Debatte über die Trinkwasserinitiative gezeigt. Vielleicht scheuen die Grünen diese Auseinandersetzung. Aber der Wasserverbrauch der Landwirtschaft könnte durch neue Technologien und den Anbau trockenheitsresistenter Feldkulturen sinnvoll reduziert werden. Derzeit kommen zur Bewässerung der Felder noch immer Sprinkleranlagen zum Einsatz, die ziellos Wasser durch die Luft schleudern. Schläuche, aus denen das Wasser tröpfchenweise beim Wurzelballen der Pflanzen austritt, wären viel effizienter – aber auch teurer und aufwendiger. Ein weiteres Problem ist das Fehlen von Daten.

Was für Daten?

Etwa die Information, welcher Bauer wann wie viel Wasser aus welchem Fluss und zu welchem Zweck bezieht. Der Kanton Thurgau ist hier Vorreiter. Er hat Karten erstellt, die sichtbar machen, auf welchen Flächen und Böden die Bewässerung sinnvoll ist.

Was ist weiter bei Trockenheit zu beachten?

Waldbrände. Der Kanton Tessin etwa, wo Waldbrände schon länger eine Herausforderung darstellen, ist gut organisiert. Vielerorts gibt es kleine Wasserspeicher, Helikopter müssen im Bedarfsfall nicht weit fliegen, um Löschwasser zu holen. Es gibt einen Waldbrandplan und eingeübte Abläufe, an die sich die Gemeinden, Behörden und Feuerwehren halten. Das Deutschschweizer Mittelland ist noch nicht so weit, dabei ist die Waldbrandgefahr in den letzten Jahren stark gestiegen. Hinzu kommt, dass hier der Wald oft sehr nah am Siedlungsgebiet steht, was eine zusätzliche Herausforderung darstellen könnte.

Was ich Sie zum Ende noch fragen wollte: Gemäss Ihrem Lebenslauf waren Sie lange in Nepal und haben dort Insektenforschung betrieben. Wie kam es dazu?

Ich wollte während meines Studiums der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich ein Praktikum im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit machen. Über einen persönlichen Kontakt bin ich 1993 erstmals in Nepal gelandet. Ich hatte das Bild von schneebedeckten Bergen im Kopf, doch als ich damals im September dort ankam, war es nicht angenehm kühl, sondern unfassbar heiss und feucht. Das Ökotourismusprojekt, bei dem ich eigentlich mitwirken sollte, löste sich zum Zeitpunkt meiner Ankunft gerade auf.

Und so sind Sie bei den Insekten gelandet?

Das war ein Missgeschick meinerseits. Als der lokale Projektleiter mich fragte, was ich sonst noch bieten könne, sagte ich unüberlegt: Insekten inventarisieren! Wieso ich das vorgeschlagen hatte, ist mir noch heute schleierhaft! Denn kurz zuvor, in einem ETH-Praktikum auf dem Hönggerberg in Zürich, hatte ich mich aus ethischen Gründen geweigert, Insekten mit der Nadel aufzuspiessen. Doch so landete ich unverhofft in den Hügeln Nepals und jagte mit der Dorfbevölkerung Insekten, um diese im Licht einer schummrigen Petroleumlampe zu inventarisieren (lacht). Aus diesem anfänglichen Missgeschick entstand in der Folge ein mehrjähriges Forschungsprojekt zur traditionellen Schädlingsbekämpfung – und ich blieb jahrelang in Nepal.

Seit ihrem Aufenthalt in Nepal schätzt Astrid Björnsen (54) den Luxus, sich jederzeit eine warme Dusche gönnen zu können. In Nepal war das Wasser gerade im Winter so kalt, dass es «fast die Haut vom Kopf geschält» habe.