Film: Der Geruch von Feuer

Nr. 34 –

Still aus dem Film «Les cinq diables»
«Les cinq diables». Regie: Léa Mysius. Frankreich 2022. Jetzt im Kino.

Léa Mysius ist die Sensualistin des neueren französischen Kinos. In ihrem Erstling «Ava» (2017) erfährt die jugendliche Titelfigur, dass sie allmählich erblindet – und versucht, sich gegen das Unausweichliche zu wappnen, indem sie ihre übrigen Sinne trainiert. Auf den drohenden Verlust des Augenlichts in «Ava» folgt nun eine geschärfte Empfindung, die das Kino für gewöhnlich nur indirekt evozieren kann: Die kleine Vicky (Sally Dramé), ein eigenbrötlerisches Kind in einem Dorf in den Alpen, besitzt einen fast übernatürlichen Geruchssinn; manche Düfte lösen bei ihr wahre Flashbacks aus.

Am Anfang von «Les cinq diables» steht ein Bild, das man nicht mehr loswird: Gestalten vor einem lodernden Brand, dann wendet sich eine von ihnen halb um, für einen verzweifelten Blick zurück über die Schulter. Das ist Vickys Mutter Joanne, phänomenal gespielt von Adèle Exarchopoulos («La vie d’Adèle»). Das Verhältnis zu ihrer Tochter scheint dann ambivalent: Gross ist Joannes Liebe, das ist unverkennbar, aber da ist auch etwas Abgelöschtes in ihrem Ausdruck, eine namenlose Härte – auch gegen sich selbst.

Als die Schwester von Vickys Vater zu Besuch kommt, nehmen die olfaktorischen Flashbacks bei der Tochter zu. Die Gerüche, die sie sammelt und katalogisiert und einmal auch wie eine kleine Hexe selber zusammenbraut, sie ziehen die hyperempfindliche Vicky in Erinnerungswelten hinein, die gar nicht ihre eigenen sein können. Oder sind sie das irgendwie doch?

Beeindruckend, wie Léa Mysius ganz ohne Geraune eine ominöse Atmosphäre beschwört, die einen sofort in ihren Bann zieht. Der Einsatz ist hoch, und die Wette geht nicht ganz auf: Der Plot ist auf manchen Ebenen gar notdürftig zurechtgewürgt, und die Sache mit Vickys Geruchsempfinden bleibt letztlich ein blosses Vehikel für die Aufschlüsselung der Vergangenheit. Aber was sich in diesen Schlaufen so allmählich entfaltet, ist doch von sehr eigenwilligem Zauber: ein flackerndes Melodrama über eine Liebe, die vom Omen ihrer eigenen Unmöglichkeit heimgesucht wird. Klingt paradox? Ist es, aber im Film wird das völlig klar. Der Knoten im Denken, der bleibt. (Der im Herzen auch.)