Politfinanzierung: Mit Tricks gegen die Offenlegung

Nr. 38 –

Grosszügige Gönner:innen und mysteriöse Stiftungen: Die neuen Transparenzregeln sollen die Geldströme im laufenden Wahlkampf abbilden. Doch Leerstellen bleiben.

Illustration eines Hütchenspiel

Als der Ständerat im Dezember 2019 die Transparenzinitiative debattierte, ergriff auch die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter das Wort. Der Bundesrat hatte das Begehren zuvor zur Ablehnung ohne Gegenvorschlag empfohlen, und Keller-Sutter begründete dies unter anderem damit, dass eine Offenlegung der schweizerischen Politikfinanzierung nicht nur «administrativ aufwendig und schwierig» wäre, sondern dass sich ohnehin viele Umgehungsmöglichkeiten böten. «Ich meine, Sie können neben den Parteien oder Organisationen ganze Konstrukte etablieren, welche dann stückchenweise wieder Finanzmittel in die Parteien oder eben auch in Organisationen einspeisen, die Kampagnen führen», erläuterte sie. Was als Argument gegen Transparenzregeln gemeint war, klingt rückblickend fast nach einer Anleitung zu deren Umgehung.

Knapp vier Jahre und etliche parlamentarische Schlaufen später ist das Gesetz in Kraft. Erstmals müssen Parteien und Nationalratskandidat:innen, die mehr als 50 000 Franken für ihren Wahlkampf ausgeben, ihr Budget offenlegen und Spenden ab einem Betrag von 15 000 Franken deklarieren. Und in vielen Fällen handeln die bürgerlichen Parteien genau so, wie es Keller-Sutter vorhergesagt hat.

Hinter dem Stiftungsschleier

So erhalten die SVP und deren Akteur:innen in den Kantonen gemäss offengelegten Daten Hunderttausende Franken von Stiftungen oder Vereinen. 100 000 gibt es zum Beispiel vom Club Bürgerliche 100 im Aargau, 70 000 vom Kuratorium Thurgau und gleich 500 000 Franken von der Stiftung für bürgerliche Politik, die schweizweit SVP-Kandidat:innen unterstützt.

Woher diese halbe Million kommt, will man dort freilich nicht verraten. Die Stiftung, die sich gemäss Selbstdarstellung etwa für «weniger Staat und mehr Freiheit» oder «das private Eigentum» einsetzt und in deren Stiftungsrat neben Altbundesrat Ueli Maurer weitere namhafte SVP-Exponenten sitzen, hält nicht viel von Transparenz im Politbetrieb. Die frühere SVP-Generalsekretärin Silvia Bär, die nun für die Stiftung tätig ist, will sich nicht zur Herkunft der Gelder äussern. Wenig überraschend für eine Partei, die bei der Schlussabstimmung im vorletzten Jahr noch als einzige praktisch geschlossen gegen das Gesetz votierte.

Auch in die Kassen der FDP und deren Kandidat:innen fliessen Hunderttausende Franken von Gönnervereinigungen und Stiftungen. Zum Beispiel vom Comité de coordination des associations économiques, das in Genf 150 000 Franken an die Kantonalpartei zahlt und gemäss «Beobachter» aus dem Genfer Hauseigentümerverband, der Handelskammer und dem dortigen Arbeitgeberverband besteht. Einen Onlineauftritt des Zusammenschlusses sucht man vergebens, dafür findet sich im Verzeichnis der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) auch eine Spende an die Genfer Mitte-Partei: Knapp 18 000 Franken an das Gesamtbudget von 236 000 Franken bezahlt das öffentlichkeitsscheue Komitee.

Einen grösseren Beitrag erhält die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter: Ihren Wahlkampf unterstützt der Verein für lösungsorientierte Politik mit 140 000 Franken. Aus welchen Quellen der Betrag stammt, ist unklar. Auf Anfrage erklärt Schneider-Schneiter, eine Spende der Raiffeisen-Bank über 20 000 Franken erhalten und diese auch ausgewiesen zu haben. Die restlichen 120 000 Franken aus dem Verein würden sich aus Spenden von jeweils weniger als 15 000 Franken zusammensetzen. Zur Verschleierung existiere der Verein nicht, er diene vor allem der Trennung von politischen und privaten Einnahmen.

Spendabler Flughafen

Wahlkampforganisationen gibt es auch auf linker Seite – wobei die Bereitschaft zur Transparenz dort wesentlich grösser ist. Die Umweltallianz etwa, die über 160 000 Franken in eine eigene Informationskampagne investiert, weist sämtliche Beiträge ihrer Trägerinnen und Partner aus. Oder die Kampagnenorganisation Campax, die mit fast 160 000 Franken Politiker:innen von Grünen und SP unterstützt. Auf Anfrage gibt Campax an, das Geld stamme aus über 4000 Spenden über durchschnittlich weniger als 40 Franken. Keine Spende betrage mehr als 15 000 Franken.

Die Zahlen, die auf der EKF-Website aufgeschaltet sind, offenbaren weitere Schwächen des Gesetzes. Wenn etwa eine Organisation angibt, Geld an bestimmte Kandidierende auszuschütten, wird das von diesen wiederum gar nicht zwingend deklariert. Aus verschiedenen möglichen Gründen: weil sie neben dem National- auch für den Ständerat kandidieren, was unter gewissen Umständen vom Gesetz ausgenommen ist. Oder weil Spenden absichtlich unter 15 000 Franken gehalten werden oder das Gesamtbudget weniger als 50 000 Franken beträgt.

Eine weitere Unschärfe kommt daher, dass Parteien Zuwendungen nur dann im Rahmen einer Wahl- oder Abstimmungskampagne ausweisen müssen, wenn sie explizit zu diesem Zweck überwiesen wurden. Ein Beispiel aus dem Kanton Zürich zeigt, warum das problematisch sein kann: Dort wurde im April bekannt, dass die Flughafen Zürich AG jene Kantonalparteien, die dem Flughafen wohlgesinnt sind, finanziell unterstützt. Das ist besonders brisant in einem Jahr, in dem eine umstrittene Pistenverlängerung im Kantonsrat nur knapp angenommen wurde; nun wird sie von der Linken per Referendum bekämpft.

Nachdem die EVP Geld von der Flughafenbetreiberin wegen des «Anscheins der Befangenheit» zurückgezahlt hatte, gab die FDP zu, über mehrere Jahre hinweg durchschnittlich 50 000 Franken vom Flughafen bezogen zu haben. Im EFK-Spendenregister ist nun aber die Zürcher Mitte-Partei die einzige des Kantons, die eine Spende des Flughafens ausweist: 20 000 Franken. Doch der Flughafen will nicht preisgeben, wem er sonst noch «einen Beitrag zu einem funktionierenden Milizsystem in der Politik» gezahlt hat, wie er auf Anfrage schreibt. Und die SVP will dazu keine Auskunft geben.

Rigorose Kontrollen gefordert

Immerhin: Das Gesamtbild der schweizerischen Politikfinanzierung wird sich künftig an manchen Stellen noch schärfen. Zwei Monate nach den Wahlen müssen die Kandidat:innen ihre Schlussabrechnung veröffentlichen. Und im nächsten Sommer müssen die Parteien ihre Jahresfinanzierung offenlegen. Doch auch hier gibt es eine frappante Lücke: Zur Transparenz verpflichtet sind nur die National-, nicht aber die Kantonalparteien.

Darf man mit den neuen Transparenzregeln nun zufrieden sein? Unter den Akteur:innen, die einst die Transparenzinitiative angestossen und anschliessend den parlamentarischen Prozess eng begleitet haben, klingt es durchgehend ähnlich: Sie sind ein Meilenstein, aber es besteht noch sehr viel Handlungsbedarf.

Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz, spricht von einem «Paradigmenwechsel»: Allein die Tatsache, dass nun Zahlen vorlägen, biete völlig neue Möglichkeiten. «Das ist das Rohmaterial, mit dem nun alle interessierten Gruppen arbeiten können», sagt Hilti und meint damit nicht nur NGOs, Journalistinnen und Wissenschaftler – sondern vor allem auch die EFK selbst. Um nämlich die Umgehung der Transparenzvorschriften zu erschweren, brauche es jetzt deutliche Signale vonseiten der Aufsichtsbehörde. «Die EFK muss alle ihr verfügbaren Instrumente nutzen, um in Verdachtsfällen rigoros Kontrollen vorzunehmen», so Hilti.

Als Schwachpunkt des aktuellen EFK-Registers nennt Hilti dessen derzeit noch mangelhafte Nutzer:innenfreundlichkeit. Ein Mangel, den eine Projektgruppe derzeit beheben will: Bereits Anfang Oktober soll eine neue Website aufgeschaltet werden, auf der sich erkenntnisreicher durch die EFK-Rohdaten navigieren lässt.

Die grüne Genfer Ständerätin Lisa Mazzone, einst Kopräsidentin des Trägervereins der Transparenzinitiative, will bereits weiterschauen. «Was aufgrund der neuen Regulierung sichtbar wird, bestätigt schliesslich, was wir eigentlich schon wussten: Es besteht eine sehr enge Bindung zwischen der Wirtschaftslobby und den bürgerlichen Politiker:innen», so Mazzone. Mit Transparenz allein sei es deshalb nicht getan, sie biete bloss einen Ausgangspunkt: «Nun müssen wir politische Mittel finden, um die Unabhängigkeit der Politik in der Schweiz zu gewährleisten», sagt Mazzone und empfiehlt einen Blick ins benachbarte Ausland. Nach Deutschland etwa, wo es eine ausgeprägte staatliche Parteienfinanzierung gibt. Oder nach Frankreich, wo im Wahlkampf eine Ausgabenobergrenze gilt.