Bürgerkrieg in Nordirland. Die Spannungen zwischen den Katholik:innen, die sich als Ir:innen fühlen, und den Protestant:innen, die aus England und Schottland gekommen sind und Brit:innen bleiben wollen, sind eskaliert. Täglich gibt es Anschläge mit Verwundeten und Toten. Für die Belfaster:innen ist ihre Stadt ein «Höllenloch». Ob Cushla im Pub ihres Bruders aushilft, ob sie mit einem ­Kollegen in eine Strassensperre britischer Soldaten gerät oder im «falschen» Laden einkauft, stets muss sie sich auf Schikanen gefasst machen.

Cushla ist die Protagonistin im Roman «Übertretung», der im Belfast des Jahres 1975 spielt. Die Autorin Louise Kennedy hat die Zeit als Kind erlebt. Sie arbeitete später als Köchin in Irland und Beirut und begann erst mit fünfzig zu schreiben.

Nach einem Kurzgeschichtenband 2021 erschien vergangenes Jahr ihr erster Roman, der sie international bekannt machte – und an die schlimmste Zeit der «Troubles» in Nordirland erinnert. Nun ist das Buch auch auf Deutsch erschienen.

Cushla ist eine junge irisch-katholische Lehrerin, die zu Hause mit einer alkoholkranken Mutter zurechtkommen muss und in der Schule versucht, den Kindern eine Welt jenseits von Sprengfallen und Gummigeschossen zu erschliessen. Als Cushla den protestantischen Anwalt Michael kennenlernt, der gegen die Diskriminierung der Katholik:innen in Nordirland kämpft, verliebt sie sich. Ein Verhältnis, das es nicht geben darf, schon gar nicht, wenn der Mann verheiratet ist. Während aber Cushla versucht, ihre Liebe geheim zu halten, nimmt Michael sie mit zu seinen Freunden: Sie soll ihnen Irisch beibringen. Von den arroganten protestantischen Intellektuellen fühlt Cushla sich allerdings gedemütigt.

Louise Kennedys Roman schildert eindringlich und präzise den Alltag mit seiner vergifteten Atmosphäre und berührt durch eine sensibel erzählte, tragische Liebesgeschichte.

Eva Pfister