Was weiter geschah: Medien unter Druck

Nr. 11 –

«Machtmissbrauch durch Medien-Konzern: Kantonsangestellte schützen» – so lautet der Titel der Motion, die der Grosse Rat in Bern letzte Woche mit 75 zu 65 Stimmen angenommen hat (bei 12 Enthaltungen). Diese Motion ist eine weitere Episode in einer Geschichte, die vor bald drei Jahren begann und in der es um Polizeigewalt, die Berichterstattung darüber und um einen beleidigten Sicherheitsdirektor geht.

Angefangen hat es mit einem Zufall: Journalist:innen von «Berner Zeitung» («BZ») und «Bund» werden im Juni 2021 Zeug:innen, wie ein Mann von der Polizei festgenommen wird. Sie beobachten, fotografieren und schreiben über die verhältnismässig brutale Festnahme des «jungen, dunkelhäutigen Mannes». Es folgen weitere Artikel; die Staatsanwaltschaft eröffnet eine Untersuchung gegen die beteiligten Beamten.

Als im letzten September einer der beiden Polizisten verurteilt wurde, passte das dem Berner Sicherheitsdirektor Philipp Müller (FDP) nicht. In einer Pressemitteilung inklusive Videobotschaft sprach er von einer öffentlichen Vorverurteilung durch die Journalist:innen und von einer «Medienkampagne». Dieses Wording übernahm die EDU-Grossrätin Katharina Baumann in ihrer Motion: In einer «beispiellosen Medienkampagne» sei der Beamte zum «Mörder abgestempelt» worden – dies, weil in den Artikeln der Fall George Floyd erwähnt wurde, da der Berner Polizist dem auf dem Boden liegenden Mann das Knie auf dessen Hals drückte. Die Motion fordert den Regierungsrat auf, das den Beamten und ihren Familien «medial widerfahrene Unrecht zu klären und wiedergutzumachen».

In einer Stellungnahme zerlegt die Chefredaktion von «Bund» und «BZ» alle Vorwürfe und zeigt, wie sie auf falschen Behauptungen und Ungenauigkeiten basieren. Dass die Motion dennoch angenommen wurde, ist aus medien- und demokratiepolitischer Sicht höchst bedenklich.

Erst im Februar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz wegen Racial Profiling bei einer Polizeikontrolle gerügt (siehe WOZ Nr. 8/24). Statt die Medienberichterstattung zu kontrollieren, sollte der Berner Sicherheitsdirektor Müller besser kritischer in seine eigenen Reihen blicken. 

Nachtrag zum Artikel «Auf allen Kanälen: Das Knie auf dem Hals» in WOZ Nr. 37/23.