40 Texte aus 40 Jahren: 1986: Zürcher Stapo legte Bombenattrappe

Samstagnachmittag, 22. Januar 1983: Mitglieder des «Maulwurf» und der «Bresche-Hochschulgruppe» demonstrieren auf dem Trot­toir vor dem Generalkonsulat El Salvadors an der Badenerstrasse 678 in Zürich gegen «den Völker­mord in El Salvador». Die Demo verläuft friedlich und «ohne Ge­walt», wie Generalkonsul Peter A. Halter den Trotzkisten schriftlich bestätigt: «Für viele in ihrem Flug­blatt aufgeführten Bedenken und Kritiken habe ich Verständnis. Das Leid und die Armut des Volkes in El Salvador berühren auch mich tief.» Deshalb schliesse er die Kon­sulatskanzlei ab sofort. Tatsächlich demontierte Halter noch am Sams­tag der «Maulwurf»-Demo das Konsulatsschild. Es sei nicht bei ei­ner Demo geblieben, sondern er habe «auch Drohungen erhalten», begründete Halter den Rückzug gegenüber der Presse. Einem «Maulwurf»-Aktivisten sagte Hal­ter damals, welcher Art diese Dro­hung war: Zwei Nächte zuvor sei im Hauseingang eine Bombenat­trappe gelegt worden. Eine Gefahr für Person, Familie, Haus und Eigentum wolle er nicht eingehen. Heute erinnert sich Halter an den Vorfall: «Ein Angestellter der Be­wachungsfirma Fruros AG hat die Bombenattrappe gefunden und auf die Kreiswache 9 gebracht. Die Po­lizei war damit im Bild.»

Gelegt hat das Bombending Marco Schmidt, Mitglied des «Maulwurf» und kurz darauf Grün­dungsmitglied der «Revolutionä­ren Sozialistischen Jugend» (RSJ), die der SAP nahesteht. Zusammen mit einem anderen «Maulwurf» hatte Marco das Konsulatsgebäude rekognosziert und abgeklärt, ob ei­ne Besetzung in Frage käme. Die Gruppe entschied sich jedoch für eine gewaltlose Demo. Marco war das zu wenig. Er animierte zwei «Maulwurf»-Sympathisanten zu ei­ner Spezialtour ausserhalb des Gruppenbeschlusses: Man solle doch dem Generalkonsul mit einer Bombenattrappe klarmachen, mit was er allenfalls zu rechnen habe. «Marco lieferte nicht nur die Idee, sondern auch das Material», erinnert sich eine Person, die mit dabei war, als Marco in den ersten Stun­den des 21. Januar die Attrappe de­ponierte. «Marco brachte ein klei­nes Kästchen mit, das ein elektronisches Piepsen von sich gab. In eine Schuhschachtel gesteckt, sollte es die richtige Bombenstimmung ver­breiten.» Was prompt funktionier­te – siehe Halters Rücktritt.

Was erst seit ein paar Tagen be­kannt ist: Das Bombending ist von der Stadtpolizei Zürich gelegt wor­ den. Denn Marco Schmidt heisst in Wahrheit Walter Max Truniger. Seit 1974 ist er ein Freund und Hel­fer der Stapo Zürich. Als Marco Schmidt war er vom Sommer 1980 bis Sommer 1983 als vollamtlicher Polizeispitzel in der Bewegung und später bei der RSJ als Agent provo­cateur aktiv.

Dieser Text ist ursprünglich in der WOZ Nr. 42 vom 17. Oktober 1986 erschienen. Aus Anlass des 40-Jahr-Jubiläums der Wochenzeitung WOZ haben wir unser Archiv nach Perlen durchsucht, die wir erneut veröffentlichen, und das Tag für Tag bis hin zur Jubiläumsausgabe, die am 30. September 2021 erscheint.