Wef: Bete mal den Bono an!

Nr. 3 –

Ist die Anti-Wef-Bewegung tot? Nein, nur die Kameras sind nicht mehr da. Zwischen Basel und Davos ist einiges los.

Schon wieder ein Weltwirtschaftsforum (Wef). Wie jedes Jahr: dumme Reden, Stacheldraht, Militäreinsätze im Innern, Bundesrätinnen und Bono (kommt er?), Lamas und Pfarrer – und ein paar Demonstrantinnen und Strassentheateraktivisten, die damit rechnen müssen, fichiert oder in Tiefgaragen gesperrt zu werden. Wie geht es der Anti-Wef-Bewegung? Wer hat überhaupt noch Lust, gegen das Wef zu protestieren?

Die Anti-WTO-Koordination Bern war jahrelang eine wichtige Akteurin der Proteste. Vor kurzem hat sie sich mit der Aktion ungehorsamer Studierender zum Basiskollektiv RebElle zusammengeschlossen. «Es sind sicher weniger Leute aktiv gegen das Wef als vor fünf Jahren», sagt David Böhner von RebElle. Ist die Linke Wef-müde? Die Armeepräsenz, die Durchsuchungsschleuse in Fideris und die Einkesselungen in Landquart und anderswo hätten Wirkung gezeigt, meinen Karin Vogt und Florence Proton von Attac. Auch Fabio Botta von der Bündner Gruppe Dadavos stimmt dem zu. Ein weiterer Faktor seien die Medien, die sich kaum mehr für die Proteste interessierten: «Das hat bewirkt, dass Parteien, Gewerkschaften und NGOs, die auch auf die mediale Wirkung schielten, das Interesse verloren haben.» Trotzdem: «Wenn die bürgerliche Presse nicht mehr darüber berichtet, heisst das nicht, dass nichts stattfindet», schreibt der Revolutionäre Aufbau.

«Randale am Wef programmiert», titelte die «SonntagsZeitung» letzten Sonntag. Darunter eine magere, aus dem Internet abgeschriebene Meldung über den Aktionstag, der am 27. Januar in Davos geplant ist. Am gleichen Tag findet in Basel eine Demo statt. Also in Davos die bösen Randalierer, in Basel die gute (bewilligte) Demo? Oder umgekehrt: In Davos das kreative Strassentheater, in Basel der schwarze Block – immerhin ist der Revolutionäre Aufbau unter den OrganisatorInnen? Die in den Medien beliebte Aufteilung in Gute und Böse wird dieses Jahr wohl nicht funktionieren. Auch in der Bewegung sorgen die beiden Termine nicht für Streit. «Sie sollen sich nicht konkurrenzieren, sondern ergänzen», sagt Ursi Grimm von Dadavos. «Beide Anlässe sind ähnlich breit abgestützt», meint auch eine Aktivistin des Anti-Wef-Bündnisses Basel. Zum Aktionstag in Davos rufen unter anderem Dadavos, RebElle, Attac und die St. Galler Gruppe Aktiv unzufrieden auf, nach Basel wollen die Antifa Bern, der Revolutionäre Aufbau, die Bewegung für Sozialismus und andere; die Grüne Partei Bern und der Infoladen Kasama in Zürich unterstützen beide Aufrufe.

Was ist am 27. Januar also zu erwarten? Die Basler Demo ist bewilligt. Sie wird auf der Grossbasler Seite des Rheins bleiben – was den OrganisatorInnen ganz recht ist –, denn in Kleinbasel steigt das traditionelle Vogel-Gryff-Fest, mit dem die KleinbaslerInnen ihre Verachtung für Grossbasel demonstrieren. «Wir wollen an der Demo die Kriegs- und Aufrüstungstendenzen sowie den Sozialabbau thematisieren», heisst es beim Basler Anti-Wef-Bündnis. «Als Ausdruck einer Mensch und Umwelt ausbeutenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die Polizei hat versprochen, sich im Hintergrund zu halten, aber sie wird wie letztes Jahr am Bahnhof Leute kontrollieren.» Basler AktivistInnen organisieren schon seit Jahren eine kleine Anti-Wef-Demo; als sie vor zwei Jahren nach dem Demoverbot in Bern etwas grösser wurde, kesselte die Polizei die Demonstrierenden auf dem Barfüsserplatz ein und verteilte anschliessend hohe Bussen. Im Januar 2006 konnte die Demonstration dann ungehindert stattfinden. «Wir sagten letztes Jahr: Wenn es gut geht, machen wir es wieder. An dieser Demo sollen möglichst viele Leute teilnehmen können.»

Und in Davos? Dadavos hat schon in den letzten beiden Jahren mit kleinen Aktionen Irritation gesät und das Ergebnis im Film «Grober Unfug» festgehalten: In elegantes Tuch gekleidete AktivistInnen erleiden groteske Stürze auf der Promenade, nagen mit ekligem Schmatzen an Pouletbeinen, werfen sich vor Wef-TeilnehmerInnen devot zu Boden, betteln sie an oder verfolgen sie und imitieren alle ihre Bewegungen. Gerüchten zufolge ist es gefälschten Wef-TeilnehmerInnen auch schon gelungen, sich in Nobelhotels einzuschleichen und sich in Lobbys und Swimmingpools zu tummeln. Es hängt alles vom überzeugenden Auftreten ab.

Für den Aktionstag in Davos gibt es keinen Treffpunkt und keine Anfangszeit. Die AktivistInnen sollen sich selber organisieren und in Kleingruppen anreisen, sich als Skifahrer oder Open-Forum-Besucherinnen ausgeben, um möglichst ungehindert durch die Kontrollen zu kommen. Hilfreich ist dabei, dass auf der Talstrasse eine lokale Demo der Grünen stattfindet. Doch für Leute, die etwas gegen das Wef tun wollen, aber keiner Gruppe oder Organisation angehören, ist der Aktionstag wahrscheinlich eine Überforderung. Sie werden wohl eher nach Basel reisen. Das glaubt auch David Böhner von RebElle: «Natürlich ist es aufwendiger, selbst eine Aktion zu planen. Wir rechnen nicht mit tausend Leuten. Aber hundert oder zweihundert können in Davos schon ganz schön Aufsehen erregen.» Dadavos richtet in der Werkstatt in Chur einen Anlaufpunkt ein, wo auch Polizeiübergriffe oder Wegweisungen – Davos hat seit 2005 einen Wegweisungsartikel – gemeldet werden können.

Der Wef-Protest ist nicht mehr, wie um die Jahrtausendwende, der Jahreshöhepunkt für die Schweizer AktivistInnen. Aber er ist ein selbstverständlicher Teil eines ganzjährigen Engagements. Attac ist vor allem zum Service public, zu Steuergerechtigkeit und Migration aktiv. Dadavos engagiert sich gegen das neue Churer Polizeigesetz. Der Revolutionäre Aufbau ist mit dem Finanzplatz Schweiz und mit der Solidarität für den kurdischen Flüchtling Erdogan Elmas beschäftigt. Leute von RebElle sind in der Berner Reitschule und im alternativen Bildungsprojekt Denkmal aktiv und arbeiten bei der linken Zeitung «Antidot» mit. «Viele Kontakte, die wir heute nutzen, wurden während der Anti-Wef-Mobilisierungen geknüpft», sagt David Böhner. Für alle Gruppen ist auch die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel im deutschen Heiligendamm im Juni ein Thema.

Doch das Wef bleibt wichtig: «Die alljährliche Verbunkerung Graubündens führt zu einem Gewöhnungseffekt, den ich als die gefährlichste reale Auswirkung des Wef betrachte. Allein schon deswegen lohnt sich der Widerstand», sagt Fabio Botta von Dadavos. Und Karin Vogt und Florence Proton schreiben: «Der Anspruch von Attac ist, die Verbindungen aufzuzeigen zwischen verschiedenen Themen und Kämpfen. Wir wollen zeigen, dass der Allerweltsspruch ‹Die Welt ist keine Ware› über die aktuelle Gesellschaftsform hinausgeht, wenn er zu Ende gedacht wird.»