Durch den Monat mit Dani Levy (2): Wie überleben Sie?

Nr. 36 –

Ein Gespräch mit Dani Levy, der nicht so viel verdient wie seine Schauspieler.

Dani Levy: «Auch wir bewegen uns im Spannungsfeld von Idealismus und ­Kapitalismus.»

WOZ: Alfi Seliger, die Hauptfigur in Ihrem neuen Film «Das Leben ist zu lang», hat Mühe, einen Produzenten für sein neues Drehbuch zu finden. Wie real ist diese Schwierigkeit für Filmemacher, die anspruchsvollere Projekte umsetzen wollen, in Deutschland?
Dani Levy: Alfi Seligers Projekt – dieser «Mohammed»-Spielfilm über den Mohammed-Karikaturen-Streit – ist sicher interessant. Er hat es mir zwar nicht zum Lesen gegeben, der Alfi. Aber ob man einen Produzenten findet, hängt heute sehr davon ab, wie erfolgreich man im Moment ist, welchen «Wert» man gerade im Business hat.

Dann ist es nicht die Qualität des Projekts, die entscheidet?
Wenn man einen erfolgreichen Film gemacht hat, hat man eine Art von Freipass: eine grössere Freiheit für ein oder zwei Filme, auch das finanziert zu bekommen, was vielleicht ein wenig sperriger und riskanter ist.

Bei Alfi Seliger liegt das letzte erfolgreiche Filmprojekt allerdings schon fünfzehn Jahre zurück ...
Da hat man es schwieriger. Die Marktgesetze und die Selektion von Projekten in der Filmfinanzierung und -herstellung sind ziemlich hart.

Sind sie härter geworden?
Ja. Das hängt einerseits damit zusammen, dass in der Branche sehr viel gemacht, aber auch viel Geld verloren wurde. Viele Fernsehanstalten in Deutschland machen keine Kino-Koproduktionen mehr. Dazu sind die Ansprüche der Filmförderung enger, fordernder und komplizierter geworden. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie viele eigenwillige, sehr künstlerische, auch schwierige und «komplizierte» Projekte in Deutschland realisiert werden und ins Kino kommen. Grundsätzlich sind wir in Deutschland recht gut gestellt als Filmemacher, besser als die in der Schweiz. Es gibt ein ausgeklügeltes Förderwesen und wesentlich mehr Möglichkeiten, einen Film zu finanzieren. Doch Film ist eine teure Kunstform, und jeder Produzent überlegt sich, ob ein Projekt das investierte Geld auch wieder einspielt.

Der Produzent in Ihrem Film lebt in einer protzigen Villa, während Seliger fast am Hungertuch nagt. Wie viel verdient ein Filmemacher in Deutschland an einem Film?
Der Filmemacher verdient ja viel schlechter als die Schauspieler, die bei ihm spielen. Durchschnittlich erhält ein Regisseur für einen Film zwischen 40 000 und 100 000 Euro. Da ist er aber mindestens zwei Jahre damit beschäftigt – wenn er denn überhaupt einen Film drehen kann. Es gibt ja nie den Punkt, an dem man automatisch Filme machen kann. Auch Wim Wenders oder Volker Schlöndorff müssen immer wieder neu hausieren gehen. Oft liegen drei oder vier Jahre zwischen zwei Filmen. Mit dem Salär kann man keine grossen Reserven anlegen, geschweige denn eine Villa bauen.

Führen viele Produzenten ein so fürstliches Leben wie Miesbach-Boronowski in Ihrem Film?
So reiche Produzenten sind fast ausgestorben – also Produzenten, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau des deutschen Kinos betrieben und mit Komödien, ganz populären Filmen, unglaublich viel Geld gemacht haben. Diese Wirtschaft ist Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre mehr oder weniger zusammengebrochen. Aber im Fernsehen verdienen heute die Produzenten sehr viel. Sie legen für die Filme derart geschmälerte Produktionsbedingungen fest, dass genügend bei ihnen hängen bleibt.

Sie haben 1994 mit anderen Regisseuren die Produktionsfirma X Filme Creative Pool gegründet. Hat sich dieses Modell bewährt?
Auch wir bewegen uns im Spannungsfeld von Idealismus und Kapitalismus. Eine Produktionsfirma mit Angestellten kostet Geld. Das bedeutet: Man muss regelmässig Filme auf die Beine stellen und mindestens alle vier oder fünf Jahre einen erfolgreichen Film machen. Damit kämpfen wir seit unserer Gründung. Wir hatten ein paar Erfolge: «Lola rennt», «Goodbye Lenin», «Alles auf Zucker», «Mein Führer». Und jetzt «Das weisse Band». Dazwischen ­produzieren wir aber zehn andere Filme. Aber das Modell ist für mich geglückt. Zum einen haben wir uns eine Heimat geschaffen, in der wir uns begegnen, kritisieren und unterstützen können. Und wir haben eine Lobby ­aufgebaut, in der Erfolg und Möglichkeiten des einen auch den anderen helfen. X  Filme ist zu einer Marke geworden.

Dani Levys neuer Spielfilm «Das Leben ist zu lang» stellt das ungleiche Verhältnis zwischen Filmproduzenten und Regisseur in satirisch-überzeichneter Form dar. Mit Tom Tykwer und Wolfgang Becker und dem Produzenten Stefan Arndt führt Levy die Produktionsfirma X Filme Creative Pool, dem das Modell der United Artists als Vorbild diente.