Zu Franz Hohlers 70. Geburtstag: «Und da kann ich dem Franz dann richtig gratulieren»

Nr. 9 –

Am 1. März feiert Franz Hohler seinen 70. Geburtstag. Die Rapperin Big Zis gratuliert dem Geburtstagskind und gesteht, dass sie seit ihrer Kindheit franzophil ist.

Lieber Franz Hohler, ich gratuliere Dir herzlich zu Deinem 70. Geburtstag.

So … viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Bei Geburtstagswünschen und Laudatios sehe ich in sonstigen Fällen durchaus einen Vorteil in der bescheidenen Kürze eines «20 minuten»-Artikels, jedoch mit der unbescheidenen Überschrift: «Super, Franz, das hast du toll gemacht! Siebzig Jahre!» Und unter dem Foto: «Big Zis küsst Franz Hohlers siebzigjährige Glatze. Die beiden Hobbywanderer verstehen sich bestens.»

Warum ich trotzdem an dieser Stelle die Laudatio zu Franz Hohlers 70. Geburtstag schreibe? Ich weiss es nicht. Vielleicht weil ich ein bisschen franzophil bin? Aber weder in einem belesenen, fachlich kompetenten noch in einem anrüchigen Sinn. Ich habe keine Poster mit seinem Konterfei in meiner Wohnung hängen. Aber die eine Postkarte und die gewidmeten Bücher, die er mir geschenkt hat, halte ich warm.

Damals im Kunsthaus

Es gibt sie, diese Sympathie für einen Menschen aus ganz diffusen, verschleierten Gründen. Diffus, weil ich ihn weder oft getroffen noch oft gelesen habe. Ich kann nicht sagen: «Ja, er ist halt einfach ein super Typ.» Abgesehen von ein paar seltenen Aufeinandertreffen, auf die ich noch zu sprechen komme, kenne ich den Franz nicht persönlich. Aber zum Duzis und Dufranz hat es allemal gereicht. Auch bin ich mit seinem Œuvre nicht vertraut. Abgesehen von seinen Texten, die jeder kennt, seinen Hits, bin ich, was Franz Hohler betrifft, ziemlich unbelesen. Und doch war er immer irgendwie dabei. Seit ich ein Kind bin.

Er hat für mich schon immer den idealen Vater dargestellt. Schuld sind sein Schaffen und, auch wichtig, sein Aussehen.

Erster Wunsch: De Tom Sawyer wär min Fründ (ich wär de Huckleberry Finn).

Zweiter Wunsch: De Franz Hohler wär min Vatter.

Dritter Wunsch: So vil Honig ufs Brot dörfe striiche, wie mer wott.

(Wobei der erste Wunsch den zweiten Wunsch ausschliesst: Wenn Huck Finn einen Vater wie Franz Hohler gehabt hätte, wäre er nicht Huck Finn gewesen und ich hätte dann wahrscheinlich nicht Huck Finn sein wollen.)

Ist ja lächerlich, niemand ist perfekt und der Franz in meinem Fall nur eine grosse ödipale (wie heisst das bloss andersherum, von Tochter zu Vater?) Projektionsfläche. Vielleicht. Vielleicht nicht nur. Der Drang, das herauszufinden, war jedenfalls gross, denn es ist nicht das erste Mal, dass ich dem Franz zum Geburtstag gratuliere.

Vor zehn Jahren feierte er, folgerichtig, seinen 60. Geburtstag. Eine Einladung zu diesem Anlass in einem Raum des Zürcher Kunsthauses wurde mir zugeschickt, da ich Mitglied desselben war. Ich habe mich also durchaus nicht selbst eingeladen. An diesem Abend stand ich eine ganze Weile mit meiner aktuellsten CD in der Jackentasche, den Teller mit Häppchen gefüllt und mit so einem Plastiksektglas, das man raffiniert an den Häppchenteller anklicken kann, ein bisschen abseits. Ein bisschen allein. Und fühlte mich verdächtigt, eine dieser Personen zu sein, die nur an solchen Anlässen aufkreuzen, um sich mit Gratishäppchen vollzustopfen und mit Gratisalkohol volllaufen zu lassen.

Ich habe grundsätzlich nichts gegen solche Menschen, zuweilen kommen sie gar gelegen. Zum Beispiel lassen sich mit ihnen schwach besuchte Anlässe als gelungene Abende verkaufen, um so das Budget für weitere schwach besuchte Anlässe zu legitimieren. Ich kenne das von schweizerischen Kulturinstituten im Ausland.

Nichtsdestotrotz wollte ich doch nicht an Franz Hohlers 60. Geburtstag diesen Verdacht erwecken, denn es hatte wirklich viele GratulantInnen. War also eigentlich gut besucht, dieser Anlass, auch ohne mich. Sowieso war ich zu nervös, als dass ich von den Häppchen etwas runtergebracht hätte.

Der Sekt aber war sehr wohl hilfreich. Mein Plan war, im passenden Moment durch den Raum zu stechen, Franz Hohler zu gratulieren und ihm die CD zu schenken. Was ich auch tat. Jedoch gab es keinen passenden Moment, weil der Jubilar konstant mit jemandem am Reden war. Ich stand also eine ganze Weile daneben daneben. In einer kurzen Pause streckte ich ihm meine gratulierende und gleich danach meine schenkende Hand entgegen und gratulierte ihm und beschenkte ihn. Ich erklärte ihm, dass wir uns nicht kennen, als ob er das nicht wusste, und dass auf der CD meine Musik drauf sei, obwohl er sich die nie gewünscht hatte. Und damit war ich dann eigentlich auch schon weg. Natürlich weil mir das im wahrhaften, im nicht imaginierten Moment dann doch peinlich war, weil der Franz auch nicht so genau wusste, was er mit mir anfangen sollte, aber auch weil ich alsbald von den nächsten gratulierenden FreundInnen Franz Hohlers verdrängt wurde.

Auf dem Platz vor dem Kunsthaus fühlte ich meine heissen Backen, die einerseits von dieser erlebten Peinlichkeit herrührten, aber auch daher, dass ich ein bisschen stolz war, diese Peinlichkeit tatsächlich erlebt zu haben. Ich hatte meine Mutprobe bestanden.

Ich wollte mich also auch noch als erwachsene Frau bemerkbar machen in Franz Hohlers Welt. So sympathisch ist er mir. Und ich wollte herausfinden, ob in meiner Vorstellung von ihm auch dann Wahrheit steckt, wenn die Begegnung wirklich passiert – oder ob die Realität alles Wunschdenken torpediert.

Ein wenig Franz-krank

Erst viel später, als wir uns an einem Anlass des Schweizerischen Nationalarchivs wieder begegneten, erzählte ich Franz Hohler von unserem ersten Treffen. Und ein bisschen erinnerte er sich. Glaube ich.

Ein bisschen bin ich geheilt, weil daraus keine grosse, tiefe Freundschaft wurde. Aber ein bisschen Franz-krank bin ich immer noch. Ich werde nervös, wenn wir uns begegnen. Auch wenn ich es zu vertuschen suche, wie in der Garderobe des Schweizer Fernsehens vor unserem gemeinsamen Gespräch über Mani Matter in der Sendung «Sternstunde Kunst».

Dass er mich nun an seinem Liederabend zu seinem 70. Geburtstag auch dabeihaben will, kommt für mich einem Ritterschlag gleich. Und da kann ich dem Franz Hohler dann richtig gratulieren, kurz und bündig.

Big Zis

Franziska Schläpfer (36) alias Big Zis ist eine der originellsten RapperInnen der Deutschschweiz. Seit ihrem Debüt «Quotäreglär» (2001) hat sie acht Alben veröffentlicht, zuletzt «Suure Räge Remixes» (2009). Regelmässig mischt sie sich in politische Diskussionen ein.