Fussball und andere Randsportarten: «So müsste das im Fussball auch sein»

Nr. 6 –

Wie der Superbowl Momente profunder Weisheit auslösen kann.

Es war während des Superbowls zwischen den triumphalen Seattle Seahawks und einem Rübenackerverein aus Colorado, als René plötzlich einen profunden Moment der Weisheit hatte. Wir hatten uns zu sechst in seinem Wohnzimmer eingebunkert, um in typisch amerikanischer Tradition bei Burgers, Bier und Hot Dogs dieses amerikanischste aller Spiele zu feiern.

Und vielleicht waren die Voraussetzungen ideal für Momente der Weisheit: Das Spiel selbst war in seiner Spannung durchaus mit einem James-Bond-Streifen vergleichbar (man weiss schon nach den ersten zwölf Sekunden, wer gewinnt, und danach kriegt man ein bisschen Action geboten, die in regelmässigen Abständen von Werbung unterbrochen wird). Und obwohl der Superbowl in den USA den Kosenamen «Weedbowl» bekommen hatte, weil da die Vertreter der beiden Staaten aufeinandertrafen, in denen man inzwischen legal kiffen darf, fielen wir nicht der Versuchung anheim, unseren Geist zu vernebeln. Sprich: Wir waren gut gesättigt, gelangweilt und dafür, dass es (der Zeitverschiebung geschuldet) bereits morgens um drei war, erstaunlich nüchtern.

Auslöser für Renés Moment war ein sogenannter Challenge – das ist, wenn einer der beiden Trainer einen Videobeweis verlangt. Das kommt im American Football häufiger vor. Die Trainer haben pro Halbzeit drei Time-outs zur Verfügung, mit denen sie entweder die Spieluhr anhalten oder ihrer Mannschaft eine Besprechungspause verschaffen können. Oder eben einen Entscheid anzweifeln: Der Trainer wirft dabei einen roten Stofffetzen aufs Feld, der Schiri zieht sich dann kurz zurück, um sich die strittige Szene an einem Bildschirm anzusehen. Falls der ursprüngliche Entscheid bestehen bleibt, verliert der Trainer eines seiner drei Time-outs. So weit das Technische. Zurück zu René und seinem Moment der Weisheit.

René, das muss ich an dieser Stelle vielleicht einwerfen, ist ein Mensch, der durchaus immer wieder mit Momenten der Weisheit auffällt. Er selbst behauptet dann, das hänge mit seiner Ausbildung als Berufssoldat zusammen. Alle anderen halten dem entgegen, er sei viel eher der lebende Beweis dafür, dass das Schweizer Militär nicht in gar allen Fällen fähig sei, angeborene Intelligenz auszuradieren. Aber das ist eine andere Geschichte. René starrte also auf den Bildschirm, nahm gerade einen Schluck Bier, dann murmelte er: «Seht ihr, so müsste das im Fussball eben auch sein.» «Was, Cheerleader in knappen Röcken, Werbepausen alle zwei Minuten und ein Regelwerk, das komplizierter ist als die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Swisscom?», warf einer dazwischen. «Nein, der Videobeweis!», rief er zurück. «Und wie soll das gehen?», fragte ich. «Es gibt doch keine Time-outs im Fussball.» «Braucht es auch nicht. Du hast ja Auswechselspieler», antwortete René.

Er schwang sich in Pose. «Na, das ist doch ganz einfach. Im Football hast du drei Time-outs, im Fussball hast du drei Auswechselspieler. Wenn du im Fussball einen Entscheid anzweifelst und falschliegst, wird dir halt ein Auswechselspieler gestrichen!» Ich starrte ihn etwas belämmert an, denn immerhin war es schon morgens um halb vier, und ganz so nüchtern, wie ich gedacht hatte, waren wir nun doch nicht mehr. Er hatte absolut recht. Die Lösung war so einfach. Sublim. Praktisch. So absolut das Gegenteil der Schweizer Armee. Ich war hin und weg. Nahm mir noch ein Bier. Beschloss, am nächsten Tag einen Brief an Sepp Blatter aufzusetzen. Dann kam mir in den Sinn, dass das Andrea Caroni, der liberale Ausserrhoder Jungschnösel im Nationalrat, auch schon getan hatte – er hatte Blatter vorgeschlagen, dass bei einem 0:0 keine Punkte vergeben werden sollten.

Und ich liess es bleiben. Denn auch wenn Sepp Blatter mit Sicherheit ein bisschen Weisheit nötig hätte, von mir und meinen Freunden kriegt er sie nicht.

Etrit Hasler freut sich gerne an den kleinen Dingen des Lebens. Und daran, dass er Freunde hat, die Berufssoldaten waren und es trotzdem noch schaffen, gute Ideen zu haben.