Fussball und andere Randsportarten: Apokalypse in Neongrün und Rosa

Nr. 16 –

Etrit Hasler gedenkt des grössten Kriegers im Wrestlingbusiness

Wenn ich jemandem erklären muss, was Wrestling ist und wieso mich das fasziniert, dann zeige ich Videos mit dem Ultimate Warrior. Da ist alles drin: das Rumschreien, das Provozieren, die debilen Interviews, der steroidenverformte Körper, die Kriegsbemalung. Aber auch die Grazie, wenn 140 Kilo Muskelmasse von einem Ringpfosten einen Rückwärtssalto vollführen. Die Kunst des Kampfes, gegossen in ein Format, in dem Helden und Bösewichte den Kampf von Gut und Böse, diese älteste aller Geschichten, immer wieder mit denselben Elementen und dennoch jedes Mal neu erzählen.

Und Brian James Hellwig war der Grösste darin. Nicht einfach ein Krieger, sondern eben der Ultimate Warrior. War Hulk Hogan noch die Ikone der frühen achtziger Jahre, so gehörte jenem der Übergang zu den Neunzigern, das Jahrzehnt des Pathos. Zur selben Zeit, als die Mauer fiel und Kurt Cobain seinen Schmerz in die Welt brüllte, stürmte er zwischen die Seile und liesst die Matten donnern wie ein neonfarbener Vorbote der Apokalypse. Mit rosafarbenen Bändchen um die gigantischen Oberarme gewickelt. Und neongrünen Unterhosen, an denen mehr Fransen hingen als an einer ganzen Winnetou-Filmcrew. Klingt komisch? Das war es auch.

Der Ultimate Warrior war vielleicht die unverstandenste Figur dieser häufig lächerlich wirkenden Wrestlingshow. Seine Interviews waren meist unverständlich, nicht nur weil er dazu in die Kamera brüllte, als würde ihm ein Rudel wilder Kojoten an den Arschbacken nagen. Er liess sich von niemandem etwas gefallen. Als ihn die Wrestlingliga WWF Mitte der neunziger Jahre nicht an den Einnahmen aus Merchandising mit seinem Alter Ego teilhaben lassen wollte, kehrte er dem Business von heute auf morgen den Rücken. Er verklagte die Liga auf die Rechte an seiner Figur und änderte seinen bürgerlichen Namen zu Warrior – ohne Vornamen.

Die WWF (heute WWE) nahm ihm den Abschied immer übel. Warrior tauchte in keiner Best-of-Show auf, in keinem Videospiel. 2005 veröffentlichte sie eine DVD mit dem Titel «Die Selbstzerstörung des Ultimate Warrior», auf der sie Videosequenzen und Interviews versammelte, die ihn als minderbemittelten Idioten dastehen lassen sollten. Zugegeben, eine Intelligenzbestie war er nicht. Doch das hinderte ihn nicht daran, plötzlich als politischer Redner durch die Universitäten zu tingeln und gegen «linke Politik» und Homosexualität zu wettern. Unsympathisch? Auf jeden Fall. Aber durchaus stimmig für seine Figur.

In seiner etwas wirren Weltsicht verband er die urtypisch US-amerikanisch-republikanische Eigenverantwortung mit seinem Kriegermythos von Mut und Kampfeswillen – sozusagen ein George W. Bush auf Steroiden. Oder vielleicht ein Philipp Müller mit Rückgrat. Zuletzt verbreitete er seine Ansichten in Form selbst gemalter Grusskarten, auf die er Zitate von George Washington, Friedrich Nietzsche, Ronald Reagan, Mark Aurel und natürlich sich selber kritzelte. Auf einer der Karten hiess es: «Es ist unvermeidlich. Eines Tages gewinnt der Tod. Bis dahin lass ihn dafür schuften, dich zu holen. Während du am Leben bist, sind die Tage zum Leben da, nicht zum Sterben. Deine Wahl: Stirb einmal oder stirb jeden Tag.»

Am 5. April beerdigte der Ultimate Warrior sein Kriegsbeil mit dem Wrestlingbusiness. Flankiert von seinen Töchtern Maddie und Indy Warrior wurde er in die Hall of Fame aufgenommen. Er wirkte gut gelaunt. Freundlich. Gelassen. Dankte seiner Frau. Versöhnte sich mit der Liga und seinen ehemaligen Kontrahenten. Der Kampf war vorbei. Drei Tage später sackte er nach einem Spaziergang tot zusammen.

Dies ist kein Nachruf. Das wäre zu still für ihn. Alles leiser als ein Nachschrei würde ihm nicht gerecht werde. Ruhe nicht in Frieden, alter Krieger. Fürs Ruhen warst du nie gemacht. Und ich glaube, der Frieden hätte vor dir die Hosen voll.

Etrit Hasler ist zu schmächtig für Wrestling. Aber stiege Philipp Müller in den Ring, 
würde er es sich noch einmal überlegen.