Ecopop und Ufologie: Im All zählt man mit!

Nr. 38 –

Der Begriff «Überbevölkerung» geistert nicht erst seit Ecopop wieder vermehrt in den Köpfen und den Medien herum. Ein Besuch im Ufologen-Hauptquartier in Schmidrüti.

Hier hätte es doch Platz für noch mehr Menschen: Ein Mitglied des Leitungsgremiums vor dem Hauptgebäude des Semjase-Silver-Star-Centers.

Draussen lag kein Schnee. An diesen Weihnachten war es zehn Grad in Luzern, die Sonne schien. Wohl die unmittelbare Folge der «Überbevölkerung», sie fühlte sich erstaunlich angenehm an.  Das Rumdümpeln an diesen ruhigen Ferientagen fand online statt, der Youtube-Sog zog mich unvermittelt in tiefe, unbekannte Universen.

Aus den siebziger Jahren sprach zu mir ein bärtiger Mann mit Zürcher Dialekt von Ufos, «Überbevölkerung» und seinen Kontakten mit Ausserirdischen. Die Plejaren, so nennt sie Billy E. Meier, kommen vom Planeten Erra und heissen Sfath, Semjase – oder Ptaah, Meiers 790-jährige Hauptkontaktperson.

Billy Eduard Meier (77) wohnt in Schmidrüti im Tösstal, einem Neunzig-Seelen-Dorf in der Nähe von Winterthur. Das Semjase-Silver-Star-Center der Freien Interessengemeinschaft für Grenz- und Geisteswissenschaften und Ufologiestudien (Figu) befindet sich ebenfalls dort. Am Sonntag ist Besuchstag für Normalsterbliche. Ich dachte mir, da müsste man mal hin.

Billy: «(…) der Prozess der Zerstörung von Klima und Natur (wird) nicht mehr zu stoppen (sein), wenn die Überbevölkerung nicht durch eine radikale Geburtenstoppregelung drastisch reduziert wird und dadurch alle Probleme vermindert werden, bis sie eines fernen Tages endgültig verschwinden.»

Ptaah: «Dem, was du vorhin gesagt hast, kann ich nur beipflichten (…)»

Auszug aus dem 575. Kontaktgespräch, 
5. Dezember 2013

Es ist andächtig ruhig an diesem kalten Spätsommertag in Schmidrüti, ein Hund kläfft Fremde an, die aus dem Postauto steigen. Es hält hier achtmal am Tag. Auf einem Auto klebt «Asylzentrum Schmidrüti NEIN!»

Von der Postautohaltestelle führt ein Weg an einem Schaukasten mit diversen Fotos und farbigem Infomaterial vorbei. Es folgen verzierte Monumente, ein drachenähnliches Tier aus Stein. In der Erde steckt eine Tafel mit dem Warnhinweis für «Neugierige Gaffer, Sektierer, Rassisten, Fremdenhasser, sowie sonstige Irre und Abnormale», dem Center fernzubleiben. Ich betrachte mich als nichts von all dem und drücke die Besucherklingel, im Büro brennt Licht.

Extraterrestrische Ratschläge

Schon früher kamen ReporterInnen aus der ganzen Welt hierher, um herauszufinden, was an den Ufogeschichten dran sei. «Das Magazin» feierte 1997 hundert Jahre Ufos mit einer Sonderausgabe über Billy Meier. In Amerika war er zeitweise ein Star.

Interviews gibt Billy Meier schon lange keine mehr. An diesem verregneten Sonntag empfängt mich Daniela (57). Sie holt sich eine Jacke, einen Schirm und zwei Ordner. Wir setzen uns unter die Pergola im Vorgarten. Wenn sie nicht gerade freiwillig für die Figu arbeite, sei sie Lehrerin, darum sehe sie natürlich genau die Auswirkungen, die die Überbevölkerung habe. Da können die Kinder am wenigsten dafür, aber: «Die stetig steigende Zahl ausländischer Kinder bringt unser System ins Wanken», sagt sie.

Im Semjase-Silver-Star-Center gebe es keine Probleme. Aber: «Die Tösstaler sind natürlich kritisch, sie verstehen nicht, wieso die Ufolandungen genau hier stattgefunden haben sollen.» Auch gesamtschweizerisch sei die Verbreitung von extraterrestrischen Ratschlägen schwierig, die meisten Mitglieder zähle man im Ausland. Nach wenigen Minuten kommt Daniela auf die Ecopop-Initiative zu sprechen. Ob ich schon davon gehört hätte: von dieser Initiative, die die Einwanderung begrenzen und das Bevölkerungswachstum in Afrika per «freiwilliger Familienplanung» stoppen wolle. «Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung», findet sie. Betreibt die Freie Interessengemeinschaft Figu aber auch so etwas wie Kapitalismuskritik? «Ja, auch.»

Abschied von den Plejaren

1992 trat Daniela der Figu bei, nachdem eine Kollegin sie zu einem Vortrag mitgenommen hatte. «Über Billy und sein Leben sollte man mal einen Film drehen», findet Daniela. Denn seit 1995 erklärt er seine Mission als beendet. «Mit dem Datum und der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1995 haben die Plejadier/Plejaren die Erde endgültig verlassen», ist auf www.figu.org zu lesen.

Früher musste Billy Meier Videos und Fotos verbreiten, der Aufmerksamkeit wegen. Heute veröffentlicht er nichts Visuelles mehr. Die Besuche aus dem All hätten stark abgenommen, die Plejaren (früher hiessen sie auch Plejadier, aber das war anscheinend nur ein Deckname) wollten sich nicht zu fest einmischen. Seither bestehe der Kontakt nur noch sporadisch und mehrheitlich telepathisch. Die Figu-Kerngruppe von 37 Aktivmitgliedern konzentriert sich momentan darauf, mithilfe von «Überbevölkerungsständen» in den Städten auf die Gefahren aufmerksam zu machen.

Ptaah: «(…) auf Erra haben wir seit Menschengedenken keine Krisen und Notsituationen mehr zu verzeichnen, weder in bezug (sic!) auf Naturgeschehnisse noch hinsichtlich der Bevölkerung.»

Billy: «Wie schön, das sollte auch auf der Erde so sein.»

Auszug aus dem 582. Kontaktgespräch, 
1. März 2014

Überbevölkert sind nur die anderen

Beim Abtippen dieser Zeilen am 8. September 2014 um 12.14 Uhr zeigt der Menschenzähler auf www.figu.org die Zahl 8 450 590 669 an. «Wir sind viel mehr, als wir meinen», sagt Daniela. Die Uno schätzt uns zwar auf 7,2 Milliarden, aber vom Weltall aus zählt es sich anscheinend besser. Um das «Problem» zu lösen, kann man «natürlich nicht Menschen umbringen, das ist Quatsch», sagt Daniela und erklärt die von den Plejaren vorgeschlagene Variante. Die sei «schon ein wenig krass und auch sehr einschneidend», aber anders gehe es nicht: Sieben Jahre Geburtenstopp ab sofort, ein Jahr Zeugungserlaubnis für gesunde Menschen in einer dreijährigen Ehe, das erlaubte Heiratsalter ist 25 Jahre für die Frau und 30 für den Mann. Höchstens drei Kinder pro Ehe. Wer sich nicht daran hält, dem drohen Gefängnis, Geldstrafen oder sogar Sterilisierung. Kinder von «Fehlbaren» werden zur Adoption freigegeben.

Ich schaue mich um und frage mich, ob es denn nicht gerade hier genügend Platz gäbe für sogar noch mehr Menschen. «Das Problem ist ein weltweites», sagt Daniela. Die fortgeschrittenen Plejaren haben dieses Problem auf Erra im Griff und verstehen ihren Kontakt zu Billy Meier als Aufklärungsarbeit.

Ptaah: «Da in der Regel die Völkerangehörigen unter sich bleiben (…), entstehen auch keine Völkervermischungen und fremden- und rassenfeindliche Konflikte mit anderen Völkern oder zwischen Familien und Nachbarn usw.»

Auszug aus dem 582. Kontaktgespräch, 
1. März 2014

Droht uns durch die Masse Mensch der Weltuntergang? Da bin ich nicht die Erste, die fragt. «Ein Mitglied hat Billy einmal gebeten, diese Frage an Ptaah weiterzuleiten. Er sagte aber, die Antwort würde nichts bringen ausser Panik und Chaos. Da sind sie schon vorsichtig», sagt Daniela.

Ohnehin bestehe der Hauptwunsch darin, dass der Mensch eigenverantwortlich handle und nicht egoistisch oder machterfüllt. Das Ziel sei es, ein «wahrer Mensch» zu werden. Losgelöst von irgendeinem Gott oder einer Religion. «Es geht um ein ganzheitliches Schöpfungsprinzip, um Liebe und Eigenverantwortung.»

Der Überbringer dieser Geisteslehre, der Ufolehre und der Warnung vor der «Überbevölkerung» ist Billy Meier – und zwar schon, seit er vier Jahre alt ist. Während eines Ausflugs im Wald in Bülach traf Meier das erste Mal auf Ausserirdische, sie sagten ihm, er sei der Auserwählte. Seine Ufosichtungen sind legendär, er nahm sie auf Video auf. Als er mit einem Ufo mitreisen durfte, gelang es ihm, ein Foto von seinen weit gereisten FreundInnen zu schiessen. Darauf zu sehen ist eine gross gewachsene, blonde Dame. Sie hat leicht grössere Ohren als wir und heisst Semjase. Die Echtheit der Fotos wurde später bezweifelt. Meier wurde vorgeworfen, er habe Tänzerinnen aus der Dean-Martin-Show vom Fernseher abfotografiert.

In den letzten Jahren hat Meier vor allem Kontakt mit Ptaah, dem Vater von Semjase. Er ist ein begeisterter Briefmarkensammler, steht Meier in allen Lebenslagen zur Seite und beantwortet auch gerne die Fragen der schätzungsweise 300 Figu-Mitglieder, denn ausser Meier hat niemand auf der Welt mit ihnen Kontakt. Die Gesprächsauszüge erscheinen im monatlichen Vereinsbulletin.

«(…) wenn ich also heute und in der Neuzeit mit den Plejadiern/Plejaren Kontakte pflegen kann, dann eben nur darum, weil meine Gesamtbewusstseinsform denjenigen dieser bewusstseins- und geistesmässig hochentwickelten Ausserirdischen angleichbar ist, was allein mir möglich ist auf der Erde (…)»

Billy Meier auf www.figu.org

Der Regen prasselt auf die Pergola, es wird immer kälter. Daniela erzählt, wie ihre Familie auf den Eintritt in die Figu reagierte. «Klar hatten sie Angst, dass ich abdrifte oder all mein Geld dem Verein spende. Aber wir haben keinen Machtanspruch und wollen nicht missionieren, die Mitglieder zahlen Mitgliederbeiträge wie in jedem anderen Verein.» Der Verein müsse sich jetzt vor allem auf die Zeit vorbereiten, wenn Billy Meier nicht mehr sein wird. Wer stellt dann den Kontakt sicher? «Darauf bereiten wir uns jetzt schon ganz realistisch vor», sagt Daniela. Ihre Sonntagsschicht geht noch zwei Stunden, vielleicht kommt ja noch jemand vorbei.

Kontakt abgebrochen

Das Postauto kurvt im strömenden Regen durch das Tösstal Richtung Bahnhof Wila, man sieht wieder mehr Menschen. Die Leute im Postauto sagen, Billy Meier habe sich schon länger von der Öffentlichkeit verabschiedet, er lebe zurückgezogen. «(Ich will) mich nicht anhimmeln lassen, denn ich bin weder etwas Spezielles noch jemand, der Freude daran hätte, sich bewundern und bestaunen zu lassen», schreibt Meier auf www.figu.org. Früher habe man im Garten noch zusammen Bier getrunken, erzählt der Chauffeur, heute lasse man sich eher in Ruhe.

Allfällig vorbeischauende Ausserirdische willkommen! Teil einer Skulptur auf dem Gelände des Semjase-Silver-Star-Centers in Schmidrüti.

«Die einen gehen in die Kirche, die anderen in eine Sekte, der Rest zu Billy Meier», sagt der Chauffeur. Die Leute seien aber immer freundlich, wenn sie ins Postauto stiegen. Anscheinend dürfe man sich nicht länger als dreissig Minuten auf dem Gelände von Meier aufhalten, dann müsse man zu arbeiten beginnen. «So eine Besuchsregel hätte ich auch gerne bei mir zu Hause, das ist doch äusserst praktisch», meint der Chauffeur dazu. Über Meier weiss er noch zu berichten, dass sich Gerüchte über die Zahl seiner Kinder ranken. Bis zu fünf könnten es sein, sie steigen oft bei ihm ein, um den Vater in Schmidrüti zu besuchen. «Immer über Überbevölkerung herziehen, aber bei sich selber fängt man nicht an», echauffiert sich der Chauffeur. Meier hat wohl ein Schlupfloch in seiner Theorie gefunden: Mehrere Ehen gleich mehr Kinder. Was wohl die Plejaren dazu sagen?

«Überbevölkerung» : Ein Mythos des Kapitalismus

Ende des 18. Jahrhunderts etablierte sich das Wort «Überbevölkerung» durch den britischen Ökonomen Thomas Robert Malthus. Er befürchtete Hungerkatastrophen und Armut, da die Bevölkerung weit stärker wachse als die Nahrungsmittelproduktion. Malthus’ Lösungsvorschlag der Enthaltsamkeit war mit ein Grund dafür, dass in England 1834 ein restriktiveres Armengesetz eingeführt wurde.

In dieser kapitalistischen Logik wird das Problem der «Überbevölkerung» immer zum Problem der Armen. Jean Ziegler, Soziologe und Vizepräsident des Beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats: «Das Argument der Überbevölkerung kommt von den Spekulanten. In der Schweiz geht man das Problem besonders arrogant an, denn hier ist das Geld, darum auch die Angst vor dem Fremden.» Die hohen Mieten, die Umweltverschmutzung, die fehlenden Rechte der EinwanderInnen wie etwa für den Familiennachzug seien nicht entstanden, weil wir zu viele Menschen seien – sondern aufgrund des Kapitalismus. Von Bestrebungen wie der Ecopop-Initiative hält Ziegler nichts: «Die Initiative ist xenophob, sie löst keine Probleme.»

Welch absurde Züge der Kampf gegen die «Überbevölkerung» annehmen kann, zeigt ein Beispiel aus Indien: Sterilisierungen werden mit Autos belohnt. Und um Kopulationen zu verhindern, wird die Landbevölkerung mit Gratisfernsehern versorgt.

Übrigens: Würden alle 7,2 Milliarden Menschen der Welt in der Schweiz leben, hätte noch immer jede/r fast 6 Quadratmeter Platz für sich allein. Im überfüllten Gefängnis Champ-Dollon in Genf hat ein Insasse zurzeit 3,8 Quadratmeter zur Verfügung.