Fussball und andere Randsportarten: Doppelt geadlert

Nr. 42 –

Etrit Hasler über die zwei Schweizer Nationalmannschaften

Es sind zugegebenermassen gute Tage für den Schweizer Fussball angebrochen – ach was, es sind fantastische Tage. Damit meine ich weniger die Suspendierung des «korruptesten Menschen der Welt», wie das EU-Parlamentarier Martin Sonneborn gerne formuliert. Denn seien wir ehrlich: Ob die interne Fifa-Untersuchung unter dem ganzen Dreck den Stecken finden kann, an den sich Sepp immer noch klammert, steht erst mal neunzig Tage in den Sternen.

Der eigentliche Grund zur Freude ist ein anderer: Die Qualifikation für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich ist nicht nur einer, sondern gleich beiden Schweizer Nationalmannschaften gelungen. Also der schweizerischen und der albanischen – Letztere besteht derzeit zu einem Grossteil aus Schweizkosovaren.

Ich höre Sie schon einwerfen, dieser ganze Nationalistenquatsch sei doch sowieso Blödsinn, und Grenzen seien passé. Und rational ist das sicher richtig – nur: So funktionieren Länderturniere eben. Man identifiziert sich eher zufällig mit einem ebenso zufällig zusammengewürfelten Team und durchleidet mit diesem Höhen und Tiefen als Teil eines kollektiven Rituals. Wir haben in der Schweiz mangels Teilnahmen an Meisterschaften dieses Ritual so lange herbeigesehnt, dass wir uns lange Jahre mit egal welcher Mannschaft identifizierten, solange sie gegen Deutschland spielte.

Die Spieler machen es sich da sehr viel einfacher. All die Schweizer in der albanischen Nati (unter anderem Shkelzen Gashi, Ermir Lenjani, Amir Abrashi und nicht zuletzt Taulant Xhaka) haben sich ja nicht bewusst gegen die Schweizer Nati oder für die albanische entschieden – für die meisten von ihnen war das eine simple Frage der Karriereplanung. Abrashi beispielsweise wusste genau, dass er in der Nati nicht aufgeboten wird, solange Gökhan Inler spielt – dass er nicht so lange warten mochte, darf man ihm nicht verübeln. Und jetzt spielt der Landbueb aus Bischofszell, der in Weinfelden die Fussballschule besuchte, halt für Albanien – obwohl seine Eltern einst aus dem Kosovo in die Schweiz kamen.

Kommt dazu, dass den schweizerisch-kosovarischen Spielern in der albanischen Mannschaft einiges weniger an Überintegration abverlangt wird als den Albanern in der Schweizer Equipe: Seit es Nebensache ist, ob ein Spieler nun aus Albanien oder dem Kosovo oder eben der Schweiz kommt, gewinnt die Mannschaft Spiele. In der Schweiz muss sich Xherdan Shaqiri schon seit Jahren mit einer Verballhornung seines Namens abfinden, bloss weil dieser ein bisschen schwierig auszusprechen ist – was er übrigens, ohne jemals zu murren, getan hat. Pajtim Kasami und Granit Xhaka nahmen ein Verbot des bekannten «Adlergrusses» widerspruchslos hin – eine kleinere Staatsaffäre, die vor einem Jahr die versammelte Chefetage des Schweizer Fussballverbands während Wochen beschäftigte. Selbst die Frage, ob die SpielerInnen nun verpflichtet seien, jene akustische Beleidigung, die wir euphemistisch Nationalhymne nennen, mitzusingen oder nicht, benötigte eine Antwort des SFV-Generalsekretärs Alex Miescher im «Tages-Anzeiger».

Die Realität ist doch bei beiden Nationalmannschaften dieselbe: Ohne die Kosovaren hüben wie drüben hätte sich wahrscheinlich keine dieser Mannschaften für die EM qualifiziert. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der diversen lokalen Vereine, die diesen jungen Männern eine Chance gaben, egal woher sie kamen. Das scheint zumindest ein kleiner Beweis dafür zu sein, dass wir bei allem verstockten Pseudo-Eidgenossen-Rassismus in diesem Land nicht alles falsch machen.

Worauf ich hinauswill: Im Unterschied zu Blatter, der nur die grässlichsten Eigenschaften dieses Landes – dubiose Geldflüsse, Intransparenz und eine fast anzügliche Nähe zu undemokratischen Machthabern – verkörpert, stehen diese Athleten für eine bessere Schweiz. Egal in welcher Mannschaft sie nun spielen.

Etrit Hasler teilt sich seinen Vornamen 
mit dem aktuellen albanischen Nationaltorhüter. Und seine Freundin sagt ihm, er solle endlich aufhören, mit seinem Migrationshintergrund zu kokettieren.