Wichtig zu wissen: Der Kirschtortenplatz

Nr. 15 –

Susi Stühlinger über das Parteipräsidentendasein

Bei jedem Medienhype sollte man sich zuerst einmal zurücklehnen und tief durchatmen. So sprach der Finanzminister – und tat, wie ihm von seiner selbst geheissen. Er hatte alles richtig gemacht und durfte sich ganz jovial auf die Schultern klopfen. Genau wie es der im Abtreten begriffene Löwenanteil der Elefantenrunde gerade eben in einem «Blick»-Interview getan hatte – und der Bevölkerung dabei spannende Einblicke ins Parteipräsidentendasein gewährte.

Da wurde unter den zurücktretenden bürgerlichen Parteipräsidenten Brunner, Müller und Darbellay allerhand Informatives verhandelt, nämlich: Wisst ihr noch, damals, als wir im Zug von St. Gallen nach Hause gesoffen haben? Wisst ihr noch, damals, als wir an diesem Fussballspiel, an das wir uns nicht mehr erinnern können, gesoffen haben? Wisst ihr noch, wie der Toni mich besoffen nach Hause gefahren hat? Wisst ihr, was ich nach meinem Ausscheiden mache, ja, nämlich bei Toni im Gasthof übernachten, damit ich richtig viel saufen kann. In Anbetracht dessen, dass die Politiker und gewiss auch die Politikerinnen ständig so viel saufen taten, war es sinnvoll, ihnen die anspruchsvolle Arbeit der Gesetzgebung etwas zu vereinfachen.

Genau dafür hatte der Finanzminister nun vorgesorgt. Dank tatkräftiger Mithilfe der Finanzbranche konnten die Mitglieder der ständerätlichen Wirtschaftskommission bei der Beratung des Finanzdienstleistungsgesetzes bereits frühmorgens einen anständigen Suff beieinanderhaben, mussten sie doch nur eine Liste mit 55 Anträgen vorlesen, die ihnen das Finanzdepartement in Zusammenarbeit mit den Finanzdienstleistungsmenschen netterweise erstellt hatte.

Noch optimaler war es in dieser Beziehung natürlich, gar keine Gesetze zu machen. Zum Beispiel bei der Bekämpfung von Geldwäscherei. Die Anwälte, die Schwarzgeld, Kinderpornografiegewinne und Diktatorenvermögen in irgendwelchen Briefkästen versteckten – fand zum Beispiel Nationalrat Gerhard Pfister aus Zug –, sollten besser selber entscheiden, wie wichtig ihnen ihr Ruf war, statt dass die Politik für solche Fälle unnötige Gesetze erfinden müsste. Und keine Gesetze machen war natürlich eine gute Idee angesichts der Tatsache, dass er in Zukunft als CVP-Präsident auch das eine oder andere Glas mehr leeren werden müsste, ganz zu schweigen von den vielen Zuger Kirschtorten, die er, der laut «Schweizer Illustrierte» im Leben als Frucht gerne ein Zuger Chriesi wäre, noch vertilgen müssen würde. Allerdings, das musste man schon sagen, sollte die Huldigung des Zuger Nationalgebäcks auch Grenzen haben, wie sich derzeit in einem handfesten Rechtsstreit zeigt: Da wollten doch tatsächlich irgendwelche Bäcker einen Teil des Zuger Bundesplatzes in «Kirschtortenplatz» umbenennen. Glücklicherweise hat das Verwaltungsgericht dem Treiben nun Einhalt geboten, denn an einem Platz, der auf einen derart hanebüchenen Namen wie Kirschtortenplatz hören täte, konnte gar nichts anderes domiziliert sein als eine ganze Menge Briefkastenfirmen. Und man muss in dieser Beziehung ja nicht unbedingt extra Aufmerksamkeit erregen.

Susi Stühlinger weiss, wovon sie schreibt, schliesslich ist sie Kopräsidentin einer kantonalen Partei.