Jagdgesetz: Die Wölfe kommen sowieso

Nr. 39 –

Es gibt gute Gründe, das neue Jagdgesetz kritisch zu beurteilen. Das Parlament hat es verpasst, gefährdete Tierarten wie Schneehuhn, Feldhase oder Waldschnepfe unter Schutz zu stellen. Allerdings schützt auch ein Nein am 27. September diese Tiere nicht. Mit der heutigen Gesetzgebung kann der Bundesrat auch geschützte Tiere wieder als jagdbar erklären, und ob das Parlament bei einer nächsten Revision den Artenschutz stärker gewichten würde, weiss niemand.

Auch wenn es in dieser Abstimmung nicht nur um den Wolf geht: Wie man seine Wiederausbreitung einschätzt, beeinflusst stark, wie man das Jagdgesetz beurteilt. Der Wolf ist definitiv zurück in Westeuropa – und verbreitet sich in einem Tempo, mit dem niemand gerechnet hat. 2012 pflanzte sich in der Schweiz das erste Rudel fort. Heute sind wir schon bei zehn oder elf Rudeln (in Frankreich bei achtzig).

Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben, und an einem konsequenten Schutz von Nutztierherden führt kein Weg vorbei. Das heisst aber auch: Der Abschuss von einzelnen Wölfen wird alltäglicher, er bedroht die Population nicht mehr – sie wächst sowieso. Wolfsregulierung ist auch mit dem neuen Gesetz kein rechtsfreier Raum, sondern in der Verordnung geregelt. Halten sich einzelne Kantone nicht an die Vorgaben, gibt es immer noch den Rechtsweg – wie bisher auch.

Wolfsrudel sind für NutztierhalterInnen eine Dauerbelastung. Eine Regulierung, wie sie das neue Gesetz vorsieht, kann die Ausbreitung verlangsamen und die Wölfe auf Distanz halten: Sie lernen, Menschen sind nicht harmlos. Wer von den LandwirtInnen immer mehr Tierwohl – sprich Weidehaltung – fordert und zugleich ihre Probleme verharmlost, ist unglaubwürdig.

In Frankreich stellen manche professionellen SchafhalterInnen wegen der Wölfe auf ganzjährige Stallhaltung um – das kann nicht die Lösung sein. Und: Wenn viele NutztierhalterInnen entnervt aufhören und ihre artenreichen Wiesen und Weiden zuwachsen, leidet die Biodiversität viel mehr, als wenn ein paar Wölfe abgeschossen werden.