Von oben herab: UBS wohin?

Nr. 13 –

Stefan Gärtner über weitere Folgen

In der Schweiz ist nichts mehr, wie es war, und nach wie vor sind die Wellen spürbar, die dieses Beben durch die Welt geschickt hat: Die UBS übernimmt die defizitäre, durch riskantes Investmentgebanke und rücksichtsloses Bonigeprasse in Schieflage geratene Credit Suisse. Mit der neuen Gross-UBS entsteht ein Monopolist, dessen Bilanzsumme doppelt so hoch ist wie das Bruttoinlandprodukt der Schweiz. «Auch imagetechnisch ist der Schaden gewaltig», meldet die «Süddeutsche Zeitung», die einen Insider mit dem Wort «Bananenrepublik» zitiert. «Die Schweiz, das war ja immer der Ort, an dem das Geld sicher war», so die SZ weiter. «Auf der ganzen Welt fragen sich Investoren jetzt allerdings, ob das noch so ist», denn die Schweizer Behörden haben «bestimmte Anleihen in der Bilanz der Credit Suisse für wertlos erklärt, aus Sicht vieler ein Verstoss gegen die internationalen Haftungsregeln, denn im Fall von Pleiten haften eigentlich erst die Aktionäre, dann die Anleihengläubiger. Es geht um 17 Milliarden Dollar – und um die Glaubwürdigkeit einer Demokratie.» An meinem Schreibtisch fragt sich derweil einer (ich!), wie das mit seiner schönen Schweiz und dem Kulturgut UBS weitergehen wird; hoffentlich nicht so:

Im April übernimmt die UBS Lindt & Sprüngli, nachdem die Schweizer Schokoladenaufsicht die unendlich zartschmelzenden «Lindor XXL Milch» für «in der Kalorienbilanz riskant» erklärt hat, aus Sicht vieler ein Verstoss gegen den internationalen Wachstumsfetisch. Der Imageschaden ist extra bitter (99 % Kakao): «Die Schweiz, das war ja immer der Ort, aus dem die Lindt-Schokolade kam», schreibt bekümmert die FAZ. «Es geht um 17 Milliarden Kalorien», die einem Insider zufolge als Extraboni ans unersättliche UBS-Personal ausgezahlt werden sollen.

Im Juni ist dann das Bündner Dorf Lohn an der Reihe, ärmste Gemeinde der Schweiz. Nach einer Statistik von 2010 liefert sie «pro Einwohner gerade mal 69 Franken direkte Bundessteuern in Bern ab. In Lohn hat es denn auch weder reiche Leute noch Unternehmen. Im Dorf wohnen nur 45 Personen. Es gibt sechs Bio-Bauernhöfe sowie ein Restaurant, andere Betriebe hat es keine» (srf.ch). Die Massnahme trifft weithin auf Unverständnis: «Eine Umbenennung in ‹Niedrig-Lohn› hätte gereicht», ätzt die «Südostschweiz» und spricht von einem «Verstoss gegen die internationalen Regeln des gesunden Menschenverstands». Bern verweist dagegen auf «riskante Investments» der Gemeinde, einen Weidezaun aus Bio-Draht oder eine mit Craftbier betriebene Insektenfalle: «Es geht um 17 Milliarden Wespen.»

Im Oktober wird bekannt, dass die UBS die Deutsche Bahn übernimmt. «Wir hätten auch lieber die SBB gehabt», bekennt ein Vorstand, «aber die ist einfach nicht kaputt genug.» Sorgen, dass mit der Übernahme die unpünktlichste Bank der Welt entsteht – «Es geht um 17 Milliarden Stunden» («Tages-Anzeiger») –, sind laut einer Sprecherin aber unbegründet und ein Verstoss gegen internationale Klischeeregeln: «Für die ewigen Pleiten bei der Deutschen Bahn haften auch weiterhin ihre Kundinnen und Kunden.» Dass es im beliebten «BahnBonus-Programm» statt Freifahrten und Getränkegutscheinen jetzt Ferraris und Urlaub am Koksstrand gibt, ist aber nur ein Gerücht.

Im Dezember rächt sich die armselige Bilanz der WOZ-Kolumnisten Ruedi Widmer und Stefan Gärtner. «Es geht um 17 Milliarden Witze», weiss die «New York Times», «auf die wir all die Jahre gewartet haben. Und immer noch warten!» Mit der Übernahme beider Kolumnen durch die UBS entsteht ein Geldhaus, das doppelt so langweilig ist wie die Schweiz selbst; die Boni für die Kolumnisten erhöhen sich durch die Übernahme allerdings nicht. «Die Tubel kriegen eh schon viel zu viel», verrät eine Insiderin. Kommentar Widmer: «Mindestens Gärtner ist halt too dick to fail! Chömmed, dä isch doch guet gsii, odrr?»

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

«Tote und Tattoo», eine Sammlung von Stefan Gärtners Essays und Glossen für verschiedene Zeitungen, ist im WOZ-Shop erhältlich: www.woz.ch/shop.