Streikhaus Zürich: Eine feministische Oase

Nr. 23 –

Seit 2019 hat die feministische Bewegung in Zürich ein eigenes Haus. Viele verschiedene Gruppen betreiben und gestalten das «Streiki», sie füllen es mit Inhalten – und fechten dabei auch Konflikte aus. Ein Besuch am Sihlquai 115.

Feministischer Freiraum: das Haus «Streiki» in Zürich
Feministischer Freiraum mit Sauna und Gratisladen: Das «Streiki» in Zürich. Foto: Ursula Häne

Es lässt sich kaum verfehlen: Von den Hauswänden prangen feministische Parolen, am Gartenzaun hängen Transparente. Seit dem Feministischen Streik 2019 gibt es das «Streiki», wie das feministische Streikhaus auch genannt wird, in einem zwischengenutzten Gebäude an der Limmat.

«Für mich ist es ein guter Ort, um einen Einstieg in die Organisation abseits parlamentarischer Politik zu finden, Menschen zu treffen, sich zu vernetzen und Neues anzureissen», sagt Flo*. Seit ungefähr drei Jahren ist sie im und ums Streiki aktiv. Vor rund zwei Jahren bildete sich die sogenannte Koordinationsgruppe, deren Teil sie seither ist.

Als es vor einigen Monaten darum ging, ein Crowdfunding zur Deckung der Mietkosten zu organisieren, rutschte auch Una* in die Koordinationsgruppe. Zusammen mit einem kritischen Lehrer:innenkollektiv nutzt sie das Streiki bereits seit dem Anfangsjahr 2019. «Das Streiki ist für mich ein feministischer Freiraum», sagt Una und fügt mit Blick über den grossen Garten an: «Eine feministische Oase in Zürich.»

Ein Chat mit 600 Menschen

Als das Streiki 2019 von Personen aus Zürichs feministischem Streikkollektiv ins Leben gerufen wurde, lautete deren Ziel, der Bewegung auch nach dem grossen Streik einen eigenen Raum zu geben. Kräfte sollten gebündelt, der Drive für die folgenden Jahre aufrechterhalten werden. Seither ist das Haus nicht nur personell gewachsen. Viele, die kommen, bringen Möbel und sonstige Gegenstände mit, bauen um, streichen, gestalten. Im Garten steht ein Gewächshaus, daneben eine Sauna, die kürzlich von einer transfeministischen Gruppe gebaut wurde.

Im ersten Stock liegt der grosse Veranstaltungsraum, daran angeschlossen sind eine Bar und die Küche. Hier finden Lesungen statt, Partys und jeden Freitag ein Soli-Abendessen. Im Raum nebenan: ein kleiner «Gratisladen» mit Kleidern und Kinderspielzeug. Weiter hinten befindet sich die Bibliothek.

Arbeitsgruppen gibt es im Streiki viele. Fast zu viele, um den Überblick zu behalten. «Es entstehen immer wieder spontan welche, und andere lösen sich auf», sagt Una. Ein grosser Teil der Organisation und des Austauschs zwischen AGs, Gruppen und Einzelpersonen findet in einem Chat mit knapp 600 Mitgliedern statt. Daneben gibt es Haussitzungen.

In der Koordinationsgruppe sind knapp ein Dutzend Personen aktiv. «Wir machen den ganzen Adminkram», sagt Una. Die Beteiligten bearbeiten Anfragen und Beschwerden, übernehmen einen Teil der Medienarbeit, betreuen Anlässe und organisieren Putztage. «Das ist manchmal schon etwas undankbar», sagt Flo, «aber eben auch notwendig.»

Im zweiten Stock des Streiki befinden sich zwei Sitzungszimmer, das Streikbüro und der Bewegungsraum, in dem von Yoga- bis zu Selbstverteidigungskursen eine breite Palette an Aktivitäten angeboten wird – kostenlos oder sehr günstig. Den Raum daneben hat die Koordinationsgruppe ukrainischen Jugendlichen als Treffpunkt zur Verfügung gestellt. Und im Dachgeschoss befindet sich ein Atelier. Alle Räume – ausser der Bandraum im Keller – sind über die Streiki-Website buchbar. Gerade als Una dies erklärt, tauchen drei Mädchen im Hauseingang auf. «Können wir bei euch Flyer für den 14. Juni holen?», fragt eines von ihnen etwas schüchtern. Lächelnd zeigen ihnen Una und Flo den Weg zum Flyertisch.

Und die Cis-Männer?

Anfangs war das Streiki an den meisten Tagen nur für Frauen, trans, genderqueere, agender und nonbinäre Menschen zugänglich. «Zwar können die einzelnen Veranstaltenden immer noch bestimmen, welche Raumpolitik sie wollen», sagt Una, aber grundsätzlich sei das Gebäude nun für alle offen. Der Ausschluss von Cis-Männern sei nur schwer praktikabel gewesen. Und er habe zu politischen Widersprüchen geführt. «Wir versuchen, queerfeministisch zu sein und keine Transfeindlichkeit zu reproduzieren», sagt Flo. «Die Finta-only-Raumpolitik hat in der Praxis dazu geführt, dass sich auch Personen unwohl fühlten, die nie ausgeschlossen werden sollten.»

Dem Entscheid war ein langer Prozess mit vielen Diskussionen vorausgegangen. Wie es auch sonst oft der Fall sei im feministischen Streikhaus: Gemäss Flo und Una gehören Auseinandersetzungen zur politischen Arbeit mit dazu. Konflikte gebe es bei praktischen Angelegenheiten wie bei politischen Themen: etwa Rassismus oder auch Transfeindlichkeit. Und nicht immer gelinge es den Nutzer:innen des Hauses, Konflikte und Probleme gänzlich zu lösen. «Das Streiki ist lediglich das Haus», sagt Flo. «Gestaltet wird es von Dutzenden unterschiedlichen Menschen, da ist es klar, dass nicht immer alle bei allem derselben Meinung sind.»

Auch wenn die beiden Frauen zwischen Ämtliplan, Konfliktbewältigung und Raumverteilung manchmal an ihre Kapazitätsgrenzen stossen: Ans Aufhören denken Flo und Una nicht. «Es braucht dieses Haus», sagt Flo. Als Zwischennutzung im Rahmen des städtischen «Raumbörse»-Förderprogramms ist das Streikhaus aber bis 2025 befristet. «Das alles hier wird abgerissen und durch einen hässlichen Block ersetzt», sagt Una. Von der Veranda sieht man hinüber zum Nachbargebäude, in dem sich die Autonome Schule befindet. Aussichten auf eine Anschlusslösung gibt es bisher nicht.

Der Gedanke, dass es das Streiki schon in wenigen Jahren nicht mehr geben könnte, sei im Moment aber noch sehr abstrakt. «Vielleicht werden wir uns in einem Jahr dieser Frage stellen müssen», sagt Flo. Jetzt sei man aber zuerst einmal mit den Vorbereitungen für den Feministischen Streik am 14. Juni beschäftigt.

* Die Nachnamen der Aktivistinnen sind der Redaktion bekannt.