Film: Wüste Szenen

Nr. 43 –

Filmstill aus «Ingeborg Bachmann. Reise in die Wüste»
«Ingeborg Bachmann. Reise in die Wüste». Buch und Regie: Margarethe von Trotta. Österreich/Deutschland/Luxemburg/Schweiz 2023. Jetzt im Kino.

Das Problem mit Klischees ist, dass sie nie ganz falsch, aber sicher nicht wahr sind. Margarethe von Trottas neuer Film erzählt eine Geschichte davon. Sie handelt von der Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch, die seit der Veröffentlichung des lange unter Verschluss gehaltenen Briefwechsels zwischen den beiden Schriftsteller:innen vor einem Jahr viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Bachmann und Frisch sind schon länger tot; was man über ihre Liebe weiss, beruht auf ihren eigenen Texten, Erzählungen Dritter und lückenhaft erhaltener Korrespondenz. Von Trotta, die den Briefwechsel noch nicht kannte, stellt in ihrem neuen Film die mittlerweile geläufigen Szenen einer scheiternden Paarung nach: Kennenlernen in Paris, bald einsetzende Krisen des Zusammenlebens in Zürich (sein Heim) und Rom (ihre Wahlheimat). Bachmann ärgert sich über Frischs lautes Tippen auf der Schreibmaschine, verbrennt sein Tagebuch; er wütet, weil sie ihn nicht in ihr Leben und in ihre Freundschaften hineinlässt. Wir sehen Stationen der Entfremdung als lauter Schablonen ohne neue Einsichten.

Immerhin, in einem wichtigen Punkt entkommt «Ingeborg Bachmann. Reise in die Wüste» den versammelten biografischen Klischees: Von Trotta rettet ihre Bachmann vor der Vereinnahmung und Deutungshoheit der Männer, seien das nun Frisch, andere Liebhaber, Herausgeber – oder jüngst auch noch der Bruder, der sich mit einem Erinnerungsbuch in die Bachmann-Versteher einreiht. Im Film bleibt sie selbstbestimmtes Subjekt.

Vicky Krieps als Bachmann, Ronald Zehrfeld als Frisch: Das sind zwei herausragende Schauspieler:innen, die es gut machen und gleichwohl wie Fehlbesetzungen wirken. Warum alles nachahmen, nur ausgerechnet Frischs schwerfälliges Schweizer Hochdeutsch, Bachmanns österreichischen Dialekt nicht? Am erzählerischen Fluchtpunkt Wüste, wohin Bachmann mit einem jüngeren Bewunderer reist, um das Elend mit Frisch zu vergessen, versinkt die Geschichte zwischen farbigen Webstoffen und symbolschweren Sandkörnern.