Globalisierung des Wintertourismus: Kapital­akkumulation per Sessellift

Nr. 49 –

Schweizer Skigebiete werden zu Kapitalanlagen globaler Konzerne. Neustes Beispiel ist Crans-Montana. Dabei profitiert der US-Investor auch unauffällig von staatlichen Subventionen.

Werbung für die Ski-WM 2027 in Crans-Montana
Bei der letzten Ski-WM in Crans-Montana gewann die Schweiz acht von zehn Goldmedaillen. Für die nächste Ausgabe steht schon ein Gewinner fest: Vail Resorts. Foto: Stephan Torre, Keystone

Für den «Walliser Boten» läutet der Deal «eine neue Ära des Tourismus» ein. Vergangene Woche wurde bekannt, dass der US-Konzern Vail Resorts das Skigebiet von Crans-Montana übernimmt: Ein global agierendes Unternehmen kauft sich für 118,5 Millionen Franken in den Walliser Skizirkus ein. Es besitzt dort nun 24 Skilifte, Sessel- und Gondelbahnen, die 140 Pistenkilometer erschliessen, dazu vier Läden, die Ausrüstung vermieten, eine Skischule und elf Restaurants.

Ein epischer Skipass

Tatsächlich symbolisiert der Einstieg von Vail Resorts in Crans-Montana eine Zeitenwende für das Wallis. Vail Resorts verkörpert wie kaum ein anderer Konzern die Globalisierung des Wintertourismus. Das Unternehmen machte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 2,9 Milliarden US-Dollar. Ihm gehören in den USA rund drei Dutzend Skigebiete sowie eines in Kanada und drei in Australien. Letztes Jahr hat sich Vail Resorts zudem mit einer Investition von 149 Millionen Franken die Aktienmehrheit an den Wintersportanlagen in Andermatt-Sedrun gesichert, die zuvor der ägyptische Investor Samih Sawiris besessen hatte.

Der Konzern ist auf Wachstumskurs und will weitere Destinationen in Europa kaufen. Für die oft mehr schlecht als recht rentierenden Skiorte hat Vail Resorts ein neues Geschäftsmodell geschaffen. Tageskarten sind bei grosser Nachfrage extrem teuer – bis zu 299 US-Dollar. Die Kund:innen sollen vor Beginn der Saison den «Epic Pass» kaufen, eine Jahreskarte für alle Vail-Resorts-Skiorte rund um den Globus, die weniger als 1000 Franken kostet. Dafür erhalten sie auch Preisnachlässe bei der Miete der Ski- oder Snowboardausrüstung, in den Skischulen und den Restaurants. Im vergangenen Geschäftsjahr hat der Konzern mit diesem Konzept einen Reingewinn von rund 270 Millionen US-Dollar erzielt.

Vail Resorts spekuliert darauf, mit seinen neuen Destinationen in der Schweiz auch die Epic-Pass-Besitzer:innen aus den USA anzulocken. Das Unternehmen scheint hier in den Alpen neue Tourismusmodelle für Kund:innen aus dem oberen Mittelstand zu testen, die an – derzeit noch – relativ schneesicheren Winterdestinationen weiter Ski fahren wollen und keine Flugscham kennen.

Vom Immokönig abgestossen

Besitzer von Vail Resorts sind die üblichen Verdächtigen: Die grossen US-Investmentgesellschaften Blackrock, The Vanguard Group und Baron Capital halten je über zehn Prozent der Aktien. Mit diesen Schwergewichten im Rücken kann der Konzern bei Bedarf rasch neues Kapital mobilisieren, um weitere Akquisitionen zu tätigen.

Vail Resorts löst mit seinem Investment in Crans-Montana den tschechischen Milliardär Radovan Vitek ab. Dieser verkörpert den Typus des reichen Exzentrikers. Immer wieder zerstritt er sich mit der Gemeinde und setzte diese unter Druck. An Ostern 2018 stellte er kurzerhand alle Lifte ab, weil die Gemeinde ihm angeblich 800 000 Franken schuldete. Dass Vitek nun verkauft hat, dürften die Behörden im Wallis nicht nur deshalb als Segen empfunden haben. Denn dem Immobilienkönig, der europaweit Liegenschaften im Wert von über zwanzig Milliarden Franken besitzen soll, drohen wegen geschäftlicher Ungereimtheiten diverse Gerichtsprozesse. Ausserdem sind ihm inzwischen auch Spekulant:innen auf den Fersen, die darauf wetten, dass er wegen der hohen Schuldenlast und der gestiegenen Zinsen Konkurs machen könnte.

Von Vail Resorts ist weniger Drama zu erwarten. Der Konzern will in den nächsten fünf Jahren dreissig Millionen Franken in Crans-Montana investieren. Der Gemeindepräsident träumt derweil öffentlich davon, das Skigebiet mittels einer Luftseilbahn mit den Berner Skigebieten Lenk und Adelboden zu verbinden. Crans-Montana geht mit seinem touristischen Potenzial seit Jahrzehnten ans Limit. So liess die Gemeinde im Vorfeld der Ski-WM 1987 fünf Hektaren Wald roden. Vom brachialen Ansatz der Tourismusförderung zeugen auch die unzähligen Ferienchalets im Ort mit rund 12 000 Zweitwohnungen, die ausserhalb der Saison meist leer stehen.

Ski-WM gratis dazu

Die Chance, dass sich die Investition schnell auszahlen wird, ist relativ gut, denn 2027 werden in Crans-Montana nach vierzig Jahren erneut Skiweltmeisterschaften ausgetragen. Dann sollen Bilder von den verschneiten Südhängen des Skigebiets um die Welt gehen. Vail Resorts erhält so mit dem Kauf gleich noch gratis eine globale Werbekampagne für seine Destination dazu.

Der Konzern stellt nun den Direktor der Bergbahnen und ist mit diesem direkt im achtköpfigen Vorstand des Vereins vertreten, der die WM vorbereitet. Er darf mitreden – für die WM bezahlen, das tun jedoch andere: So investieren Crans-Montana und einige angrenzende Gemeinden 42 Millionen Franken in den Anlass. Parkhäuser werden erneuert, neue Beschneiungsanlagen erstellt, die dörfliche Infrastruktur aufpoliert und der Zielbereich ausgebaut. Weitere Gelder kommen möglicherweise vom Kanton Wallis und dem Bund.

Der Kauf des Skigebiets Crans-Montana ist also auch die Geschichte der verdeckten Subventionierung eines Milliardenkonzerns. Dabei hängt die Gemeinde jetzt auf Gedeih und Verderb von den strategischen Entscheiden ab, die in der Konzernzentrale in Denver getroffen werden.