Fotografie: Sinn für das Leise

«Freeway», Autobahn, nennt der dreissigjährige, in Zürich lebende Fotograf David Schlatter seinen eben erschienenen Fotoband. Doch es ist nicht Tempo, der Rausch der Geschwindigkeit, der diese Bilder prägt, im Gegenteil. Schlatter setzt seine Bildpaare so zusammen, dass sie zum Innehalten zwingen, zum Vergleichen anregen. Nicht selten ist es das Licht, das die Fotografien verbindet: Hier eine – trotz hoch stehender Sonne – im Dunst verwischte Tropenlandschaft mit Palmen und Elektromasten, dort ein mit Neonröhren gerahmtes, in puffiges Rosa getauchtes Fenster mit transparenten Rüschenvorhängen.

Ein anderes Mal ist es die Farbe, die das Bildpaar zusammenhält: links eine Nahaufnahme eines blühenden Forsythienstrauches, rechts ein runder schwarzer, mit Zigarillokippen gefüllter Aschenbecher auf einem hellgelben Tisch. Es kann aber auch die formale Struktur das Verbindungsglied bilden, so wenn etwa die Aufnahme einer geologischen Sammlung, die im Schaukasten sowie in feingegliederten Wandregalen ausgestellt ist, ein Pendant findet in der Ansicht von eng ineinander verschachtelten Häuserzeilen aus der Vorkriegszeit.

David Schlatter hat ein feines Auge fürs Unspektakuläre, Alltägliche. Doch erst in der Zusammenstellung gewinnen die Bilder das poetische Plus, das ästhetisch verzaubert und einen Sinn dafür schafft, dass auch das Kleine und Leise bedeutsam sein kann.

David Schlatter: Freeway. Kontrast Verlag. Zürich 2004. 112 Seiten. 
32 Franken