Inflation: Jordans Hammer

Nr. 26 –

Obwohl die Inflation durch Profite befeuert wird, versucht die ­Nationalbank, sie auf dem Buckel der breiten Bevölkerung zu bekämpfen.

Vor wenigen Tagen hat Nationalbank-Chef Thomas Jordan den Leitzins weiter auf 1,75 Prozent erhöht – und so mit einem Schlag dafür gesorgt, dass die Mieten in der Schweiz nun weiter steigen. Denn mit dem Entscheid werden auch die Hypotheken teurer, die die Immobilienbesitzer:innen auf die Mieten schlagen dürfen.

Hier zeigt sich das Demokratiedefizit der Schweizer Geldpolitik: Ein Mann entscheidet zusammen mit zwei weiteren Direktor:innen über die Umverteilung von Milliarden. Und dies, obwohl unklar ist, ob er mit der Zinserhöhung wie beabsichtigt die bescheidene Inflation von 2,2 Prozent wirklich senken kann.

Die Mieterhöhungen, die Jordan damit auslöst, werden die Inflation jedenfalls weiter anheizen. Und das nicht zu knapp: Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich schätzt, dass die steigenden Mietpreise nächstes Jahr für die Haushalte die Hälfte der Teuerung ausmachen werden. Ja, es gebe da eine gewisse «Komplexität», räumte Jordan gegenüber den Medien ein. Er sei jedoch überzeugt, dass die allgemeine Inflationssenkung, die er mit höheren Zinsen erreichen wolle, die Mieterhöhung langfristig wettmachen werde.

Genau das ist jedoch fraglich. Zwar haben Jordans bisherige Zinserhöhungen gewirkt, doch vor allem deshalb, weil sie den Franken gegenüber anderen Währungen gestärkt haben: So wurden die Importe, die lange an der Inflation schuld waren, billiger. Heute liegt deren Inflation bei lediglich 1,4 Prozent. Die Inflation der Inlandgüter, die lange tief war, ist jedoch trotz Zinserhöhungen auf 2,4 Prozent gestiegen. Sie ist viel schwieriger zu bekämpfen.

Dies deshalb, weil die Preissteigerungen in ganz Europa vor allem durch gesteigerte Profite getrieben sind: Corona, Krieg, Rohstoffknappheit oder Lieferengpässe haben einigen Konzernen zu einer Marktmacht verholfen, die es ihnen erlaubt, ihre Preise und damit ihre Gewinne zu steigern. Anhand offizieller Zahlen lässt sich einfach berechnen, wie viel von der Inflation des Schweizer Bruttoinlandprodukts 2022 am Ende als Lohn an die Arbeitskräfte geflossen ist – und wie viel an die Firmen. Das Ergebnis: Von 3,3 Prozent gingen 1,2 Prozentpunkte an die Arbeitskräfte und 2 Punkte als höhere Profite an die Firmen (0,1 gingen als Steuer an den Staat).

Während die Rolle der Profite für die aktuelle Inflation inzwischen auch von der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds anerkannt wird, schweigt Jordan bisher dazu; auch wenn die Nationalbank auf Nachfrage auf sogenannte Zweitrundeneffekte verweist, worunter auch Profiterhöhungen fielen.

Herrscht Inflation aufgrund stark steigender Löhne, die die Produktion verteuern und die wirtschaftliche Nachfrage dermassen befeuern, dass die Firmen (statt mehr zu produzieren) ihre Preise erhöhen, kann sie mit höheren Zinsen bekämpft werden: Diese bremsen die Wirtschaft, sodass alle etwas langsamer reicher werden. Sind die Profite der Firmen verantwortlich, ist die Sache aber schwierig: Zwar können höhere Zinsen auch so die Löhne und damit auch die Nachfrage senken. Doch ob das reicht, damit Konzerne ihre Margen drücken? Die Löhne sind bereits letztes Jahr real um 1,9 Prozent gesunken. Und ob die Inflation wirklich stärker sinkt, als sie durch die Mieten angeheizt wird?

Was klar ist: Die Zinserhöhung ist der politische Entscheid, die Inflation auf dem Buckel von Arbeitskräften und Mieter:innen zu bekämpfen – zugunsten der Banken, die so, wie die Nationalbank schreibt, ihre «Profitabilität steigern können». Es gäbe effizientere Alternativen: etwa eine Steuer auf ausserordentliche Profite, wie sie die britische Tory-Regierung eingeführt hat; Preisdeckel, wie sie die Schweiz eigentlich für Mieten kennt – aber nicht durchsetzt. Oder die Stärkung der Wettbewerbskommission: Obwohl abrupt steigende Profite ein klarer Hinweis für abnehmenden Wettbewerb sind, unternimmt sie aufgrund ihres engen Mandats nichts dagegen, wie sie auf Anfrage schreibt.

Allerdings liegt all das nicht in Jordans Macht. Er hat nur einen Hammer in der Hand. Und so behandelt er jedes Problem als Nagel.