Arbeit für Flüchtlinge: Ein Projekt mit vielen Gesichtern

Nr. 13 –

An der Aktionswoche gegen Rassismus in Bern zeigt der Journalist und Fotograf Peter Eichenberger seine Fotoreportage «E suberi Sach». Diese führt zu Fragen rund um die Arbeitssituation von Asylsuchenden.

Eine moderne Version von Sklaverei? Das Berner «Team Sauber» im Einsatz. Foto: Peter Eichenberger

Über Monate hat Peter Eichenberger das «Team Sauber» mit seiner Kamera begleitet – zu Kursen im Kompetenzzentrum Integration, meist aber beim Halbtagsjob. Eichenberger, der sich bereits in früheren Projekten mit der Lage von Flüchtlingen beschäftigt hat, «regt das hasserfüllte, fremdenfeindliche Klima in der Schweiz auf», und er will den Opfern dieser Haltung ein Gesicht geben. Seine Fotografien sind damit nicht nur journalistische, sondern auch politische Arbeiten.

Die Reportage über das «Team Sauber» entstand, weil sich Eichenberger eines Tages fragte, wer all diese Menschen sind, die so oft in weisser Arbeitskleidung und mit Putzeimern in der Stadt Bern zu sehen sind. Er wollte mehr über ihren Alltag erfahren und diesen für andere sichtbar machen. Nach seinen Erfahrungen und zahlreichen Gesprächen mit den Beteiligten ist Eichenberger vom Wert des Integrationsprojekts überzeugt.

Kontroverse Bewertung

«Team Sauber» ist ein freiwilliges Arbeitsintegrationsprogramm. Gearbeitet wird an fünf Tagen pro Woche jeweils vier Stunden. Die Mitarbeitenden sammeln Müll in den Berner Trams ein, kümmern sich um saubere Haltestellen und entfernen Graffitis. Zum Projekt gehören auch Weiterbildungsangebote wie Deutsch- oder Bewerbungskurse. Für die Arbeit erhalten die Menschen, die meist von der Sozialhilfe und in Asylzentren leben, eine sogenannte Motivationszulage von 200 Franken pro Monat.

Wie die mediale Berichterstattung zeigt, klaffen die Meinungen über das Projekt auseinander: auf der einen Seite Zeitungsporträts von «glücklichen», beschäftigten Flüchtlingen, Berichte über die neue Qualität von Sauberkeit und Sicherheit und über die 2013 erhaltene Auszeichnung mit dem Umweltpreis der Stadtverwaltung. Auf der anderen Seite wird Kritik laut, dass das Projekt die alternativlose, rechtlich instabile Situation der Menschen ausnutze, sie böswillig ausbeute und in einer «modernen Form von Sklaverei» für einen Hungerlohn arbeiten lasse.

Für eine differenzierte Betrachtungsweise muss ein solches Projekt von den Rahmenbedingungen unterschieden werden, die es geformt haben. Die Problematik geht über die Diskussion um eine menschenwürdige Asylpolitik hinaus und berührt die Frage nach der Bewertung eines Menschen, wenn dieser auf dem Arbeitsmarkt «nichts wert» ist.

Die Hauptzielgruppe des Projekts – vorläufig aufgenommene AusländerInnen mit Ausweis F – hat zwar das Recht, in der Schweiz zu arbeiten, aber aufgrund ihres instabilen Status massive Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden. Die andere Zielgruppe sind Personen mit Ausweis N, die im Asylverfahren stehen und zwar ein Aufenthaltsrecht, aber sonst keinerlei Rechte haben, um ihr Leben in der Schweiz produktiv zu gestalten.

Es ist, wie Ursula Heitz, die Leiterin des Kompetenzzentrums betont, ein «niederschwelliges Programm», ein Arbeitstraining der ersten Stufe, das Menschen für den Schweizer Arbeitsmarkt fit machen und die soziale Integration fördern soll. Dabei stellen die Mitarbeitenden ihre Arbeitskraft für eine finanzielle Entschädigung zur Verfügung, die in einem traditionell geregelten Arbeitsverhältnis völlig indiskutabel wäre. Tatsächlich könnte ein solches Verhältnis unter anderen vertraglichen Umständen nach Artikel 157 des Schweizerischen Strafgesetzbuches den Tatbestand des Wuchers erfüllen.

Systematischer Zynismus

Es bleibt ein Dilemma: Einerseits gibt es einen grossen Bedarf und engagierte Menschen, die aufseiten der Programmleitung wie aufseiten der MigrantInnen ihr Bestes geben, andererseits eine finanzielle «Wertschätzung» von Arbeitskraft, die eine mehrfach entfremdete Klasse produziert, die noch «unter» der am schlechtesten bezahlten Lohnarbeiterin steht.

Welche Summe das Programm von staatlicher Seite konkret zur Verfügung hat, um etwa die Arbeit der Mitarbeitenden zu honorieren, entscheidet letztlich der Kanton, der es teilfinanziert. Dabei müssen Vorgaben erfüllt und der Integrationserfolg nachgewiesen werden. So wird mit Bedacht aus der Warteliste an Teilnahmewilligen ausgewählt, in welcher Zusammensetzung Leute zum selben Zeitpunkt am Projekt partizipieren können. Zu viele Fälle auf einmal, bei denen eine Integration in den Arbeitsmarkt etwa aufgrund ihres Alters oder ihrer Gesundheit unwahrscheinlich ist, würden sich negativ auf die Erfolgsbilanz und damit auf die Förderung des Programms auswirken.

Der hier durchscheinende Zynismus ist nicht an der Böswilligkeit Einzelner festzumachen. Er ist einem System immanent, in dem Integrierbarkeit und Arbeitskraft untrennbar verbunden erscheinen. Eine differenzierte Kritik betrifft nicht nur das «Team Sauber» selbst, sondern ganz wesentlich die Bedingungen, die den Spielraum für derartige Projekte festlegen.

Das Problem ist nicht allein das Klima der Fremdenfeindlichkeit, sondern ein System der Menschenfeindlichkeit, das statt von realer Inklusion nur von Arbeitsintegration zu träumen vermag. Peter Eichenberger wagt in seiner Reportage jedenfalls den Versuch, hinter objektivierbarem Humankapital wieder den einzelnen Menschen zu sehen.

Die Fotoreportage «E suberi Sach» von 
Peter Eichenberger wird in Bern im Foyer des Kornhausforums, Kornhausplatz 18, vom Mittwoch, 25. März 2015, bis Samstag, 28. März 2015, gezeigt. Vernissage: Mittwoch, 25. März 2015, 17 Uhr. Geöffnet Mittwoch bis Samstag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Gesamtes Programm der Aktionswoche: www.berngegenrassismus.ch.