Swiss Connection der AfD: Reif für neue Untersuchungen

Nr. 38 –

Neue Enthüllungen rund um millionenschwere Spendenaffären der rechtsextremen AfD untermauern den Verdacht, dass die Schweizer Werbeagentur Goal AG als Drahtzieherin der verdeckten Parteifinanzierung fungierte.

Drei Jahre lang publizierte die Andelfinger Werbeagentur Goal AG auf ihrer Website überhaupt keine Neuigkeiten mehr. Eine Ewigkeit in dieser schnelllebigen Branche. Anfang dieser Woche tauchte nun plötzlich ein neuer Eintrag auf. Unter dem Titel «Reif für das Guiness [sic!]-Buch der Rekorde» präsentierte sich die Firma des SVP-Hauswerbers Alexander Segert als Agentur, die «wohl weltweit am meisten Volksinitiativen erfolgreich beworben» habe.

Diese «Neuigkeit» ohne jeden Newsgehalt dürfte eine Reaktion auf tatsächliche Neuigkeiten sein: Zwei aktuelle Recherchen aus Deutschland erhärten den seit längerem bestehenden Verdacht, dass die Goal AG im Zusammenhang mit nicht deklarierten – und damit gemäss deutschem Parteiengesetz illegalen – Parteispenden in Millionenhöhe an die rechtsradikale AfD eine Schlüsselrolle spielt.

2,5 Millionen aus der Goal-Kasse?

Die Rechercheplattform «Correctiv», der «Spiegel» sowie das ZDF-Format «Frontal» deckten letzte Woche die finanziellen Hintergründe einer Plakatkampagne auf, die sich für die AfD «zu einer millionenschweren Parteispendenaffäre auswachsen könnte». Konkret geht es um mehr als 9400 Werbeplakate, die im Bundestagswahlkampf 2017 sowie in acht Landtagswahlkämpfen zwischen 2016 und 2018 beim Kölner Werbeflächenanbieter Ströer gebucht wurden.

Laut internen Ströer-Unterlagen betrug das Gesamtvolumen der Kampagnen mehr als 3,4 Millionen Euro. Auf den entsprechenden Plakaten rief der Stuttgarter Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten zur Wahl der AfD auf. Die rechtsextreme Partei behauptet seit Jahren, es gebe keinerlei Verbindung zum Unterstützungsverein sowie zur Plakatkampagne, doch die nun publik gewordenen Unterlagen weisen auf das Gegenteil hin: In den Auftragsbuchungen der Plakatkampagnen ist grösstenteils nicht der ominöse Stuttgarter Unterstützungsverein als «Direktkunde» vermerkt, sondern die AfD selbst.

Und: «In den Unterlagen von Ströer taucht ausserdem immer wieder die Schweizer Goal AG auf», wie der «Spiegel» schreibt. Die Firma von Alexander Segert, der sich als «Freund» des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen bezeichnet, ist in den internen Buchungsdaten mit einem Volumen von rund 2,5 Millionen Euro als «Agentur» vermerkt.

«Ein Geisterverein»

Die aktuellen Enthüllungen der Ströer-Plakatkampagnen offenbaren eine völlig neue Dimension der mutmasslich illegalen Finanzierung der AfD über die Goal AG.

Bisherige Recherchen, an denen teilweise auch die WOZ beteiligt war, deckten zwei unzulässige Wahlkampagnen der Goal AG auf: eine für den erwähnten AfD-Vorsitzenden Meuthen in der Höhe von 90 000 Euro und eine für den Essener AfD-Politiker Guido Reil für 44 500 Euro. Insgesamt musste die rechtsradikale Partei dafür Strafzahlungen in der Höhe von 400 000 Euro leisten. Erhärtet sich der Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung im Fall der Ströer-Plakatkampagnen, drohen weitere Strafzahlungen in Millionenhöhe.

Aufklärung über die Landesgrenzen

Im Fall einer ebenfalls publik gewordenen Wahlkampfspende, die 2017 aus der Schweiz an die AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel floss, war die Goal AG hingegen nicht direkt beteiligt. Das entsprechende Verfahren haben die Behörden just diese Woche eingestellt.

Kurz vor Redaktionsschluss legte eine weitere gemeinsame Recherche – von der «Zeit», dem NDR sowie dem WDR – offen, dass der Stuttgarter Verein, der die AfD seit mehreren Jahren «massiv mit Plakaten, Anzeigen und Werbezeitungen unterstützt», nie mehr als «ein Geisterverein» war. Zahlungen in Millionenhöhe für Veranstaltungen oder Wahlkampfkampagnen seien direkt über eine Schweizer Werbeagentur gelaufen: die Goal AG.

Am Ursprung der «Swiss Connection der AfD», wie die enge Verbindung der Goal AG zur rechtsextremen Partei medial genannt wird, steht eine Schifffahrt auf der Spree in Berlin mit Lachsbrötchen und Blauburgunder im Spätsommer 2016. Der ehemalige tschechische Präsident und EU-Skeptiker Vaclav Klaus hielt damals eine Rede vor 180 TeilnehmerInnen. Die Einladung kam vom Stuttgarter AfD-Unterstützungsverein. Die Organisation des Anlasses und die Rechnung der Reederei über 6296 Euro übernahm allerdings die Goal AG, als offizieller Ansprechpartner galt «Hr. Segert». Das geht aus neu vorliegenden Unterlagen hervor, die auch die WOZ einsehen konnte.

Die Recherche von «Zeit», NDR und WDR offenbart zudem, dass das «Tagesgeschäft» des «Deutschland-Kuriers», einer AfD-nahen Onlineplattform, im März 2020 von zwei Mitarbeitern der Goal AG übernommen wurde.

Alexander Segert und die Goal AG haben zu den neusten Enthüllungen bisher keine Stellung bezogen, auch eine Anfrage der WOZ blieb unbeantwortet. In der zweitletzten Meldung auf der Website der Andelfinger Werbeagentur heisst es übrigens: «Die Goal AG hat noch nie für die AfD gearbeitet oder einen Auftrag von der AfD erhalten.» Die neusten Recherchen widersprechen dieser Darstellung. Klarheit bringt letztlich nur eine ernsthafte behördliche Aufklärung über die Landesgrenzen hinweg. Nur so lässt sich die alles entscheidende – bisher unbeantwortete – Frage klären: Von wem stammt das Geld für die mutmasslich von der Goal AG orchestrierten Kampagnen?

Mitarbeit: Anna Jikhareva und Kaspar Surber.