Pop: In Satans Schoss

Nr. 40 –

Der stramme junge Mann – nackter Oberkörper, enge Boxershorts, kniehohe Latexstiefel – blickt nochmals zum Engel hoch, bevor er die Stripstange entlang in die Hölle herabgleitet, dem Teufel seinen Hintern in den Schoss reibt und ihm dann den Hals umdreht. So endet das Video zu «Montero», dem Titeltrack des Debütalbums von Lil Nas X, dem 22-jährigen Rapper und Sänger, der hier den sexuellen Sünder spielt. Die Bilder sind unverschämt plakativ, aber wir sind hier ja auch mitten im Popmainstream.

Die Attraktion dieses scheinbar aus dem Nichts geborenen Stars ist längst nicht mehr der Country-Trap seines Welthits «Old Town Road» (2019). Noch während dieser überall die Charts anführte, hat sich der in einem Vorort von Atlanta geborene Montero Lamar Hill geoutet. Seither mischt er Award-Shows, Promibälle und das Netz mit queeren sexualisierten Bildern – nicht zuletzt von Schwarzen Körpern – auf. Das ist nicht nur identitätspolitisch erfreulich, es ist auch bestes Pophandwerk, wie Lil Nas X dabei schmunzelnd Genderbilder demontiert.

Im Video zu «Industry Baby» tanzt er in einer Gefängnisdusche, inmitten einer Horde nackter Tänzer, deren Geschlecht von Zensurpixeln unkenntlich gemacht ist, während einer der Wärter sich zum «Montero»-Video einen runterholt. An einem Promianlass schälte Lil Nas X sich aus goldglänzenden Schichten, eine davon eine Rüstung, wie Wonder Woman sie 1984 trug.

Weniger spektakulär als die Bilder ist die Musik auf dem Album. Hinter «Montero» steckt offensichtlich der Versuch, aus Lil Nas X auch musikalisch eine vollwertige Popfigur zu machen. Trotzdem: Angestrengt hören sie sich nicht an, diese oft keine drei Minuten dauernden Popsongs, deren Beats neben Trap auch sanfte Latin-Einflüsse zeigen. Gute Hooks gibt es auf diesem Album eigentlich durchgehend. Und auch hier wird der Witz hochgehalten, etwa in den sexuell expliziten Lyrics oder wenn die Schwulenikone Elton John in einem Song die Klavierbegleitung spielen darf.

Lil Nas X: Montero. Columbia. 2021