Eva Walter (1900–1991): «Mein Mann war so scheu, dass er monatelang kein Wort mit mir sprach»

Nr. 49 –

Sie arbeitete erst im Kreml, dann in Berlin für einen Nazi, der sie vor ihrer eigenen Verhaftung warnte, und war Teil der indischen Unabhängigkeitsbewegung: Das spektakuläre Leben der Kommunistin Eva Walter, die 1950 in Zürich den «India Store» eröffnete, erzählt von den globalen Verstrickungen im 20. Jahrhundert.

Eva Walter sitzt vor einer Schreibmaschine
Eva Walter, geborene Geissler, war gelernte Stenotypistin. Foto: Familienarchiv Pia Backhaus

Mit der Eröffnung des «India Store» im Jahr 1950 verkürzte sich für Zürcher:innen die Reisezeit nach Indien auf eine Fahrt mit dem Tram Nummer 4. So jedenfalls versprachen es damals Werbeannoncen in der NZZ und der Schweizer Zeitung «Die Tat». Diese luden Leser:innen dazu ein, «Limmat-Indien» an der Schoffelgasse 3 zu besuchen, um «Geschenke des Ganges» zu erwerben und die «Wunder Indiens» zu erleben. «Der ganze Zauber dieses schönheitstrunkenen Landes, der ganze Reichtum an künstlerischer Phantasie, die Freude an Farbklängen und Ornamenten» fand sich nun auf wenigen Quadratmetern im Niederdorf konzentriert.

Eröffnet hatte den Laden Wilhelmine Frieda Walter, die den Vornamen Eva bevorzugte. Als Geschäftsfrau verstand es die Fünfzigjährige, den Schweizer Markt mit orientalistischer Romantik zu bedienen. Doch der Laden diente ihr vor allem dazu, ihre jahrzehntelangen prekären Lebensverhältnisse in Beständigkeit und finanzielle Sicherheit zu überführen. Denn was die Kund:innen des «India Store» nicht vermuteten: Als Inhaberin des Geschäfts hatte sich Eva Walter gänzlich neu erfunden. Und dies nicht zum ersten Mal, wie ein Blick in ihre spektakuläre und zu Unrecht in Vergessenheit geratene Biografie zeigt: Als Neunzehnjährige beteiligte sie sich am revolutionären Umsturz in München 1919, als Kommunistin arbeitete sie ein paar Jahre später in Moskau im Zentralbüro der Kommunistischen Internationale, und als Kämpferin gegen koloniale Unterdrückung war sie ab 1929 aktiver Teil der indischen Unabhängigkeitsbewegung.

Doch beginnen wir mit der Eröffnung ihres Geschäfts.

Parfüm, Seidenschals und Gewürze

1950 schien der Zeitpunkt für solch ein Unternehmen aus verschiedenen Gründen opportun: Zwei Jahre zuvor hatten Jawaharlal Nehru, der erste Ministerpräsident Indiens, und der Schweizer Aussenminister Max Petitpierre den ersten schweizerisch-indischen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Es war auch der erste Freundschaftsvertrag, den das unabhängige Indien abschloss, und er sollte die Schweiz zu einer Partnerin in der Modernisierungspolitik des Landes machen. Mit dem Vertrag signalisierte die Schweiz ihre Wirtschaftsinteressen und sorgte für eine Welle der Expansion schweizerischer Unternehmen nach Indien. Vor dem Hintergrund dieser wachsenden binationalen Wirtschaftsbeziehungen etablierte Eva Walter im Niederdorf ihr Geschäft, das direkt importierte indische Erzeugnisse wie Gewürze, Parfüms, Seidenschals, Handwerkskunst und Kleidung zu niedrigen Preisen anbot.

Einen Teil der Waren erwarb sie von indischen Frauenorganisationen, die geflüchteten Frauen dabei halfen, durch die Herstellung und den Verkauf ihrer Erzeugnisse eine neue Einkommensgrundlage zu schaffen. Nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens und der Teilung des Subkontinents in die Nationalstaaten Pakistan und Indien arbeiteten Hilfsorganisationen weiterhin an der Versorgung von Millionen geflüchteten Menschen auf beiden Seiten der neuen Grenzen.

Zeitzeug:innen gesucht

Die Historikerin Joanna Simonow hat 2019 an der ETH Zürich promoviert und lehrt an der Universität Heidelberg. In ihrer Forschung befasst sie sich mit den persönlichen Beziehungen, die indische antikoloniale Aktivisten während ihres Aufenthalts in Europa eingingen. So stiess sie auch auf Eva Walter und ihre Schwester Luise («Lu») Geissler (auch Scheller). Dieser Artikel ist ein Auszug aus den aktuellen Forschungsergebnissen.

Da sich die spannendsten Funde durch einen Austausch mit Zeitzeug:innen und Nachfahren ergeben haben, lädt die Autorin alle, die sich angesprochen fühlen, ein, Erinnerungen an Eva und Armin Walter mit ihr zu teilen. Kontakt: joanna.simonow@sai.uni-heidelberg.de.

Die Eröffnung des Ladens war ein Ergebnis von Walters langjähriger Beziehung zu Indien, das noch bis 1947 unter der Kolonialherrschaft Grossbritanniens gestanden hatte. Bereits in der Zwischenkriegszeit war Indien zu einem Angelpunkt in Walters Berufs- und Privatleben geworden. Gleich zweimal war sie dem späteren indischen Diplomaten Arathil Candeth Narayanan Nambiar zu Hilfe geeilt und lernte mehrere Mitglieder der bis heute einflussreichen Nehru-Gandhi-Familie persönlich kennen. Doch mehr dazu später.

Vierzig Jahre lang sollte Walter den Laden führen. «In den letzten Jahren habe ich keinen Profit mehr gemacht», erzählte sie dem Ladenbesucher und Schriftsteller Martin Hamburger. «Aber ich kam mit vielen Leuten in Kontakt. Hätte ich alleine in der Wohnung hocken und resignieren sollen?» Hamburger hatte Walter Anfang der achtziger Jahre bei einer Vernissage im Niederdorf kennengelernt und entschloss sich 1982 dazu, ihre spannenden Erinnerungen auf Tonband aufzuzeichnen. Kurz vor ihrem Tod sprach er nochmals mit ihr. Die Aufzeichnungen erschienen 2001, zehn Jahre nachdem sie gestorben war, in der WOZ (siehe Nr. 9/01). Dank seines Einfühlungsvermögens schuf Hamburger das bis dato einzige bekannte autobiografische Zeugnis Eva Walters – alle in diesem Artikel verwendeten Zitate stammen aus seinen Aufzeichnungen. Allerdings konnten einige Aussagen auch nach längeren Recherchen nicht verifiziert werden, und nicht alle von Walter wiedergegebenen Jahresangaben sind belegbar. Üblich für Erinnerungen an lang zurückliegende Zeiten, gibt es auch in Eva Walters Aussagen Ungereimtheiten sowie nachweislich falsche Angaben; ab und zu übertreibt Walter auch oder verschweigt wichtige Details.

Am revolutionären Umsturz beteiligt

Im Jahr 1900 kam sie als Wilhelmine Frieda Geissler in München zur Welt. Bereits als junge Frau schloss sie sich mit ihrer knapp zwei Jahre älteren Schwester Luise dem marxistischen Spartakusbund an. Gemeinsam mit ihren Genoss:innen beteiligte sie sich nach dem Ersten Weltkrieg am revolutionären Umsturz in München und wurde im Zuge von dessen Niederschlagung im Jahr 1919 verhaftet. Nach ihrer Freilassung verliess sie München und fand Arbeit in der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin. Hier lernte sie ihren späteren ersten Ehemann kennen, Evgeny Ivanovich Guaita, einen russischen Luftwaffenoffizier und Direktor der Deutsch-Russischen Fluggesellschaft Deruluft. In seiner Begleitung reiste sie 1921 als gelernte Stenotypistin und eines der ersten Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) nach Moskau, wo sie im Zentralbüro der Kommunistischen Internationale (Komintern) und im Büro der Gesandtschaft der KPD arbeitete. «Ich besass einen Passepartout für den Kreml, mit dem ich zu jedem gehen konnte», erzählte sie Hamburger. Nicht nur Lenin traf sie dort: Eines Tages sei sie mit Hô Chí Minh in die Oper gegangen und habe sich mit dem Mitbegründer der Kommunistischen Partei Japans, Sen Katayama, angefreundet.

Eva Geissler steigt in den 1920er Jahren aus einem Fokker-Flugzeug
Unterwegs für die Kommunistische Partei Deutschlands: Eva Geissler, wie sie damals noch hiess, steigt in den 1920er Jahren aus einer Fokker.  Foto: Familienarchiv Pia Backhaus

Ihr Leben geriet aus den Fugen, als ihr Mann zusammen mit einer Gruppe von Piloten der Deruluft, die regelmässig die Strecke zwischen Berlin und Moskau bedienten, der Weitergabe von Staatsgeheimnissen beschuldigt und ohne Verhandlung zu Haft in einem russischen Strafgefangenenlager verurteilt wurde. Nach vergeblichen Versuchen, ihn aus der Gefangenschaft zu befreien, kehrte Walter 1928 mit falschem Pass nach Berlin zurück: mittellos, von der Komintern ausgeschlossen und von ihrem Mann getrennt.

Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitete sie nun sowohl im Büro des ungarischen Revolutionärs Sándor Radó als auch im 1929 eröffneten «Indischen Informationsbüro». Dieses fungierte bis zu seiner Zwangsauflösung 1933 als inoffizielle Aussenstelle des indischen Nationalkongresses und unterstützte unter anderem indische Student:innen bei der Aufnahme ihres Studiums in Deutschland. Es war damit ein Dreh- und Angelpunkt der indischen Unabhängigkeitsbewegung und trat über die Grenzen Britisch-Indiens hinaus für die politische Selbstbestimmung Indiens ein. Leiter des Indischen Informationsbüros war Arathil Candeth Narayanan Nambiar, der erst als Student nach Grossbritannien kam und später als Korrespondent für indische Zeitungen in Berlin arbeitete. Er wurde der Vorgesetzte und Lebenspartner von Eva Walter, die damals wieder ihren Familiennamen Geissler trug.

Als aktive Kommunistin und als Partnerin Nambiars lernte Walter zentrale Vertreter:innen der indischen antikolonialen Bewegung kennen und half, die persönlichen und politischen Kontakte zwischen Vertreter:innen kommunistischer und antikolonialer Bewegungen in Berlin zu verbessern. Als Sekretärin des Indischen Informationsbüros hatte sie nun aber gar einen direkten Draht zur Schaltzentrale der indischen Unabhängigkeitsbewegung. So korrespondierte sie unter anderem mit Jawaharlal Nehru, dem späteren ersten indischen Ministerpräsidenten. Ihr Kontakt zur Nehru-Familie intensivierte sich 1935, als Nambiar ihr und ihrer Schwester Luise Scheller (geb. Geissler) die Gestaltung des Aufenthalts wichtiger Gäste aus Indien auftrug: Nehrus Frau Kamala, schwer erkrankt, unterzog sich in Österreich und Deutschland medizinischen Behandlungen. Sie kam in Begleitung ihres Cousins und behandelnden Arztes, Madan Atal, und ihrer Tochter, Indira Nehru, die später als Indira Gandhi selbst Ministerpräsidentin Indiens werden sollte.

Im süddeutschen Kurort Badenweiler trafen Eva Walter, Kamala und Indira Nehru aufeinander. Indira, die zu dieser Zeit gerade mal achtzehn Jahre alt war, zeigte sich in ihren Briefen an ihren Vater entzückt von ihrer «deutschen Familie». Walter wurde von Nehru angehalten, Indiras Bildungsfortschritte zu überwachen. Jedoch fand sie vorwiegend Freude daran, Indira zu helfen, die strenge väterliche Kontrolle zu umgehen, wie sie anhand eines gemeinsamen Ausflugs nach Paris erzählte: «Jessas, was haben wir für schöne Zeiten gehabt! Indira war damals ein Mädchen, und mit ihr verbindet mich eine tiefe Freundschaft. In Paris, wo ihr Vater sie nicht aus den Augen liess – Nehru war ein despotischer Vater –, bin ich mit ihr abgehauen. Meine Schwester hatte ihn abgelenkt, und so konnte Indira das Pariser Leben kennenlernen.»

1933, zwei Jahre vor dem Treffen in Badenweiler, hatte die Machtergreifung durch Hitler für Eva Walter eine weitere Zäsur bedeutet: Die Nationalsozialisten lösten das Indische Informationsbüro auf und verhafteten Nambiar. Walter mobilisierte Unterstützung und verhalf Nambiar zur Freilassung – sowie zu einem Ausreiseticket nach Prag. Zur selben Zeit entgingen ihr zweiter Arbeitgeber Sándor Radó und dessen Frau Lene nur knapp der Ergreifung durch die Sturmabteilung. Auch hier wurde Eva Walter aktiv: Es gelang ihr, das Hab und Gut des Paars zu sichern und nach Paris zu schicken, wie Radó in seiner Biografie «Dora meldet» festhielt: «Als wir 1933 fliehen mussten, löste Eva mit aussergewöhnlicher Umsichtigkeit und Kaltblütigkeit unseren Haushalt auf, rettete und verfrachtete die Wohnungseinrichtung nach Paris.»

Berlin war kein sicherer Ort mehr

Erneut ohne Einkommen, blieb Eva Walter in Berlin zurück und fand schliesslich eine Anstellung im Büro des Nationalsozialisten und späteren SS-Obersturmführers Ado Kraemer – eine Arbeitsbeziehung, die sich als nützlich herausstellte und in eine unverhoffte Freundschaft mündete. «Er war ein Nazi, aber er mochte mich», erzählte sie später und verschwieg, dass sie bis ins hohe Alter mit der Familie Kraemer Kontakt hielt. Wie Eva Walter mit dem Widerspruch zwischen ihren politischen Überzeugungen auf der einen Seite und ihrer Tätigkeit für Kraemer auf der anderen Seite umging, bleibt ungeklärt. Klar ist, dass das Wohlwollen Kraemers ihr das Leben rettete, denn für die Kommunistin war Berlin seit 1933 kein sicherer Ort mehr. Wissend um ihre politische Gesinnung, warnte Kraemer «Hindu», wie er Walter wegen ihrer Beziehung zu Indien genannt habe, vor ihrer eigenen Verhaftung: 1936 floh Eva Walter nach Zürich, wo ihre Schwester Luise bereits eine Wohnung am Limmatquai 80 bewohnte.

Während sich Nambiar dem indischen Freiheitskämpfer Subhas Chandra Bose anschloss, der durch Kooperation mit Nazideutschland hoffte, die britische Herrschaft Indiens zu beenden, heiratete Eva Walter 1937 den Schweizer Spanienkämpfer Armin Walter. Dieser hatte eingewilligt, die ihm unbekannte Frau in Paris zu ehelichen, um ihr den dauernden Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen. «Und mein Mann, der Herr Walter, war so scheu, dass er monatelang kein Wort mit mir sprach», erzählte sie Hamburger. Die Ehe hielt bis zu Armin Walters Tod 1979.

Die Schweizer Staatsbürgerschaft bot Eva Walter zwar einen gewissen Schutz, doch stand sie schon bald wieder vor neuen, vor allem auch finanziellen Unsicherheiten: Nur wenige Tage nach der Ankunft der frisch Vermählten aus Paris stattete die Zürcher Polizei dem Ehepaar einen ungebetenen Besuch ab. Sie durchsuchte die gemeinsame Wohnung und verhaftete Armin Walter. Für seinen Kampf gegen Diktator Franco wurde er für sieben Monate eingesperrt, wie eine Akte im Schweizerischen Bundesarchiv belegt. «Alle Spanienkämpfer, die gegen Franco waren, mussten sitzen. Aber die, die für ihn gekämpft haben, nicht», empörte sich Eva Walter noch Jahrzehnte später.

Eva und Armin Walter am Limmatquai in Zürich
Ihre Zweckehe hielt mehr als als vierzig Jahre: Eva und Armin Walter am Limmatquai in Zürich. Foto: Familienarchiv Pia Backhaus

Bis zur Gründung des «India Store» versuchte sich Eva Walter auf verschiedene Weise über Wasser zu halten: Zusammen mit Luise arbeitete sie zeitweise als Kassierin im Cabaret Cornichon. 1939 gründete sie den Prisma-Verlag, den sie zusammen mit dem Fotografen Heinz Guggenbühl führte, der für die nationale und internationale Presse fotografierte. Doch erst ihr Laden, so scheint es, brachte ihr finanzielle Sicherheit.

Das Startkapital habe die spätere indische Premierministerin Indira Gandhi gestiftet, diktierte Eva Walter Martin Hamburger. 1953 besuchte Gandhi den Laden. Zwei Jahre zuvor, im Juli 1951, fand sich der indische Aussenminister Kumara Padma Sivasankara Menon mit Familie bei Eva Walter ein. Wie die Zeitung «Die Tat» berichtete, hatte Menon kurz zuvor den Schweizer Aussenminister Petitpierre in Bern getroffen und machte sich nach seinem Besuch im «India Store» auf den Rückweg nach Indien.

Ein häufiger Gast im «India Store» und im Wohnzimmer von Eva Walter war ihr ehemaliger Weggefährte Nambiar, wie Fotos von damals und Erinnerungsberichte von Zeitzeug:innen belegen. Als nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 der Premierminister Jawaharlal Nehru Regierungsposten mit ehemaligen Unabhängigkeitskämpfer:innen besetzte, erhielt Nambiar eine Stelle in der Schweiz: Als Sonderattaché und später als Geschäftsträger in der indischen Gesandtschaft lebte und arbeitete er die folgenden Jahre in Bern. In den fünfziger Jahren vertrat er Indien als Botschafter in Schweden, Finnland, Dänemark und Westdeutschland. Seinen Ruhestand verbrachte Nambiar ab 1960 in Zürich.

Den erfolgreichen Wandel vom antikolonialen Aktivisten zum indischen Diplomaten verdankte er Eva Walter. Von Grossbritannien verdächtigt, mit deutschen Nationalsozialisten gearbeitet zu haben, wurde Nambiar 1945 verhaftet und verhört. Walter, die nach wie vor über weitreichende persönliche und politische Netzwerke verfügte, hatte von seiner Verhaftung erfahren und sich erneut für seine Freilassung eingesetzt. 1946 gestattete man Nambiar, nach Zürich auszureisen, beschlagnahmte aber seinen Besitz. Eva und Armin Walter beherbergten ihn in ihrer Wohnung am Limmatquai, bis er in den diplomatischen Dienst aufstieg.

Es wurde einsamer, aber nie still

Gegen Ende ihres Lebens fiel es Eva Walter zunehmend schwer, ihren Alltag zu bestreiten. In den achtziger Jahren besuchten nur noch wenige Kund:innen ihren Laden im Niederdorf, 1990 wurde «Limmat-Indien» offiziell aufgelöst. Ein Streit innerhalb der Familie beendete gegenseitige Besuche, und Nambiar entschied sich 1984, keine zwei Jahre vor seinem Tod, nach Indien zurückzukehren. Es wurde einsamer um Eva Walter, aber nie still, wie zahlreiche Briefe an sie attestieren.

Zuletzt passten die Zeugnisse ihres bewegten Lebens in nurmehr drei Pappkartons, die Eva Walter ins Pflegeheim Entlisberg mitnahm. «Das Personal ist lieb. Die Aussicht aus dem Fenster ist schön. Zu jeder Mahlzeit krieg ich ein Gläschen Cognac. Ärztlich verordnet, und hie und da bringt mir ein Besuch eine Flasche Cognac mit, die ich dann verstecke. Ich habe AHV und Kriegsrente von den Deutschen. Ich habe Verwandte, Freunde. Eigene Kinder hatte ich nie. Ich höre Radio, ich lese Zeitungen. Man sollte nicht so alt werden», diktierte sie Martin Hamburger wenige Monate vor ihrem Tod am 15. April 1991.

Ihre Ruhe wurde ein letztes Mal 2020 unterbrochen, als ihr Urnengrab auf dem Friedhof Sihlfeld aufgelöst wurde – tragischerweise trotz der Versuche der Grossnichte, die Überführung der Urne zu veranlassen. Seit der Auflösung ihrer Grabstätte erinnert in Zürich nichts mehr an das bewegte Leben von Eva Walter, die sich unerschrocken in mehr Revolutionen stürzte, als ein Leben zu fassen vermag.

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Kommentare

Kommentar von martinwalter

Sa., 09.12.2023 - 22:23

Für Rosina