Wie sie lieben. Vierzehn Abenteuergeschichten Einleitung

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Illustration von Giulia Spagnulo: tanzende Menschen
Illustration: Giulia Spagnulo

«Wenn ich einen Traum habe, halte ich eigentlich gern daran fest», sagt Rosina. Aber was heisst das überhaupt, wenn wir von Liebe und Begehren sprechen? Und was ist, wenn alles anders kommt?

Dieses Heft entstand aus dem Eindruck, dass sich in den vergangenen Jahren einiges verändert und verschoben hat. Dem Ideal der monogamen romantischen Beziehung, die im besten Fall ein Leben lang halten soll, stehen vermehrt andere Entwürfe gegenüber: Polyamorie und weitere nichtmonogame Beziehungen, aber auch Patchworkfamilien zeigen, wie sich das Zusammensein anders organisieren lässt, auch unter mehr als zwei Leuten. Wie Menschen ihre Beziehungen führen, ist diverser geworden, ebenso die Vorstellungen davon, was eine gelungene Liebesbeziehung überhaupt sein könnte.

Das beobachtet auch der Paar- und Sexualtherapeut Agostino Mazziotta. Er spricht von einer Individualisierung der Beziehungen: In seiner Praxis fänden sich heute deutlich mehr Menschen ein, die ihre Sexual- und Liebesbeziehungen ihren eigenen Bedürfnissen entlang gestalten und aushandeln wollten. Es kämen aber auch solche zu ihm – gerade aus linken Kreisen –, die umgekehrt mit dem Anspruch an ein eigenes polyamores oder nichtmonogames Liebesleben überfordert seien. Die Träume verändern sich – aber eben auch die Realitäten.

Die Illustratorin

Die Illustrationen in diesem Heft ­zeichnete die italienische Comicautorin Giulia Spagnulo, bekannt als Zuzu. In ihren Arbeiten setzt sie sich mit Formen des Zusammenseins auseinander: Ihr Debüt «Cheese» nimmt ein ungleiches Freundes­trio in den Blick; «Glückliche Tage» beschäftigt sich mit Gewalt in romanti­schen Liebesbeziehungen. Beide Titel sind auf Deutsch in der Edition ­Moderne erschienen.

Statt dass wir uns mit Zahlen und Studien herumschlagen, um solche Verschiebungen zu erfassen, oder Theorien darüber wälzen, was die Gründe dafür sein könnten, gehen wir in diesem Heft einen anderen Weg: Mit achtzehn Menschen haben wir über ihre Liebesbeziehungen gesprochen. In vierzehn Geschichten erzählen sie von ihren Idealvorstellungen und Realitäten, von Alltag und Organisation, wie sie sich verliebt haben, beieinander geblieben sind und sich trennten – von all den Problemen und Lösungsansätzen, die sich zwischen Freiheitsdrang und Begehren auf der einen und dem Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit auf der anderen Seite auffächern. Was bedeutet es, einen Traum vom Zusammensein zu haben? Ganz viele unterschiedliche Dinge, das ist sicher.

Was alle diese Menschen jedoch verbindet: dass sie sich auf ihre je eigene Weise mit der Frage beschäftigen, was das überhaupt sein kann, das in so vielen Bildern der Popkultur immer wieder als Inbegriff des Glücks erscheint. Wie vielfältig die Liebe zusammen gelebt werden kann, lässt sich durch die Geschichten in diesem Heft erahnen – abdecken können sie alle Entwürfe und Konstellationen, Identitäten und Situationen bei weitem nicht. Dafür sollen sie Einblick geben in Möglichkeiten, Ansätze – und letztlich in viele der Fragen, die zwischen Menschen aufgeworfen werden, die sich gernhaben.

Was passiert, wenn in einem vermeintlich fixen Planetensystem auf einmal eine leuchtende Sternschnuppe auftaucht? Wie verändert sich eine Familie, wenn der Vater sich als schwul outet? Wie geht man damit um, wenn der Partner verkündet, von nun an keusch leben zu wollen? Wie verändern sich die Vorstellungen von Romantik durch eine gemeinsame BDSM-Praxis? Und wie findet man mit über siebzig den Mann fürs Leben?

Dieses Heft ist eine Sammlung von Liebesgeschichten. Jede steht für sich. Die Namen der Protagonist:innen sind bis auf eine Ausnahme anonymisiert.

Alle Infos zur Heft-Vernissage in der Paranoia-City-Buchhandlung in Zürich am Donnerstag, 28. März 2024 um 19 Uhr.

Recherchierfonds

Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser:innen.

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