Bücher machen: Zu kultivierendes Glück

Nr. 42 –

Leidenschaft für die Literatur: Trotz schwieriger Bedingungen werden immer wieder neue Verlage gegründet.

Anne Wieser und Bettina Spoerri vom Geparden-Verlag
«Wir lesen in alle Manuskripte rein»: Anne Wieser und Bettina Spoerri vom Zürcher Geparden-Verlag. Foto: Florian Bachmann

«Den Mut? Den haben wir einfach!» Bettina Spoerri und Anne Wieser lachen. Sie sitzen in ihrem Verlagsbüro im Zürcher Kreis 5. Im Januar 2022 haben sie den Geparden-Verlag gegründet. Unter den fünf Büchern im ersten Programm war auch ein Essay der bekannten schottischen Autorin A. L. Kennedy – die beiden sind also gleich gross gestartet. Geholfen hat ihnen dabei ihr Netzwerk: Beide sind seit Jahren im Kultur- und Literaturbetrieb unterwegs und kennen die Branche gut. Das Risiko sei überschaubar, wiegeln sie ab. «Wir stürzen uns ja nicht tollkühn in ein Abenteuer, sondern haben einen Businessplan und bauen Schritt für Schritt auf», sagt Spoerri.

Eher Arthouse als Blockbuster

Das ausschlaggebende Ereignis, das sie dazu bewogen hat, den Geparden-Verlag tatsächlich zu gründen, war das Ende des Verlags Nagel und Kimche, der 2018 von MG Medien übernommen wurde. «Es gibt eine Lücke, die wir füllen wollen», sagt Wieser. Auch inhaltlich orientieren sie sich an Programmen wie dem von Nagel und Kimche: «Wenn man es mit dem Kino vergleichen würde, wären wir eher auf Arthouse als auf Blockbuster spezialisiert.» Die Autorin, Kuratorin und Literaturvermittlerin Spoerri und die langjährige Verlagsmitarbeiterin, Kulturmanagerin und selbstständige Literaturagentin Wieser machen alles selber: angefangen beim Prüfen der eingereichten Manuskripte – «Wir lesen in alle rein» – über das Lektorat der Texte und die Betreuung der Autor:innen bis hin zur Gestaltung der Bücher und schliesslich deren Vermarktung.

Perikles Monioudis und Dana Grigorcea vom Telegramme-Verlag
In der Garage und auf dem Estrich stapeln sich Bücher für geplante Lesungen: Perikles Monioudis und Dana Grigorcea vom Telegramme-Verlag in ihrer Wohnung in Zürich. Foto: Caroline Minjolle

Die Schweizer Verlagslandschaft ist äusserst vielfältig und stets in Bewegung (vgl. Interview: «‹Durch unser Haus weht immer auch der Weltenwind›»). Es gibt an die 200 Verlage, 94 werden vom Bund unterstützt. Und während in den vergangenen Jahren mehrere Verlage eingestellt oder von grösseren übernommen wurden, sind auch immer wieder neue entstanden. Auch Dana Grigorcea und Perikles Monioudis haben sich vor vier Jahren zu diesem Schritt entschieden. Die Autorin und der Autor empfangen an einem warmen, sonnigen Morgen in ihrem Garten in Zürich. Auf dem Tisch haben sie Bücher aus dem von ihnen gegründeten Telegramme-Verlag ausgelegt. Ihr Büro ist ihre Wohnung, in der sie mit ihren beiden Kindern leben. Die Diskussionen über neue Bücher finden am Küchentisch statt, in der Garage und im Estrich stapeln sich die Bände, die sie an Lesungen mitnehmen. Eigentlich wollen sie nicht, dass man über sie als Verlag spricht, lieber würden sie Texte über ihre Autor:innen in der Zeitung lesen.

Die Vermarktung ist entscheidend

Insgesamt rund dreissig Bücher haben die beiden bislang publiziert, Neuerscheinungen wie «Sirma» von Sara Wegmann oder «Magdalenas Sünde» von Romana Ganzoni. Sie geben aber auch bereits erschienene Bücher neu heraus: Autor:innen wie Theodor Fontane, Lou Andreas-Salomé oder Else Lasker-Schüler finden sich in ihrem Programm. Wie beim Geparden-Verlag machen auch die Telegramme-Verleger:innen von Anfang bis Ende alles selber. Entstanden sei der Verlag aus purer Leidenschaft für die Literatur: «Wir wollen Gastgeber sein», sagt Grigorcea, deswegen seien die Veranstaltungen und die Vermarktung ihrer Autor:innen ein wichtiger Faktor für sie. Dass sie Schreibenden eine Bühne geben wollen, habe einen ganz einfachen Grund: «Dana wuchs in Rumänien in einer kommunistischen Diktatur auf. Dass man in der Schweiz einfach alles drucken kann, solange es nicht justiziabel ist, ist ein unglaublich grosses Glück. Das muss man kultivieren», sagt Monioudis.

Weder die Geparden- noch die Telegramme-Verleger:in­­nen können von der Verlagsarbeit leben. «Wir reinvestieren das, was wir als Schriftstellerin und Schriftsteller verdienen, in den Verlag», sagt Grigorcea. Und Monioudis betont: «Wir müssen nicht die Familienkasse plündern – zum Glück. Aber wir hoffen schon, mal vom Geld als Verleger leben zu können.» Für 2024 werden sie Verlagsfördergelder beantragen, auch Wieser und Spoerri werden für den Geparden-Verlag beim Bund einen mehrjährigen Strukturbeitrag beantragen – zurzeit verdienen auch sie mit anderen Tätigkeiten im Bildungs- und Kulturbereich ihren Lebensunterhalt.

Seit ihrer Neugründung hätten sie viel Solidarität innerhalb der Branche gespürt, sagt Spoerri, auch wenn sie ab und zu hören mussten: «Mal schauen, ob ihr in zehn Jahren noch da seid.» Doch Wieser ist überzeugt: «Gerade die kleinen, unabhängigen Verlage sind Keimzellen, in denen Neues entsteht und die es deshalb unbedingt braucht.»